Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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Warnung vor Kleinem. — Eine brave Arbeiterfrau. 
dies verneinen. Nach verlaus der Börsenzeit wurden wir zusammenge¬ 
rufen. Ls waren unser neun Schiffskapitäne, Dänen, Hamburger, Lübecker, 
Schweden, Pommern und vanziger. Buch fanden wir, als wir im Hause 
unsers Gastgebers anlangten, dort bereits mehrere Kaufleute versammelt 
und ein schmackhaftes Mahl bereitet, bei welchem tapfer getrunken wurde; 
denn unser Wirt verstand die Kunst des Uötigens aus dem Grunde, und 
so artete die Mahlzeit bald in ein Gelage aus, so daß endlich weder Maß 
noch instand beobachtet wurde. 
Bei mir, der ich 'genau die Grenze kannte, die ich nicht überschreiten 
durfte, um bei verstand und Ehren zu bleiben, ging jedoch jedes gute 
wie böse Wort des Gastgebers verloren. „Basta und keinen Tropfen 
mehr!" war und blieb mein letzter Trumps, weniger gut kamen die 
übrigen Herren weg, die sich dergestalt übernahmen, daß sie zuletzt samt 
und sonders unter den Tisch sanken. Ich hatte mich inzwischen mit den 
anwesenden Kaufleuten unterhalten, bis ich, satt und müde, mich empfahl 
und mich an Bord meines Schiffes begab. Bm andern Morgen rieb ich 
mir verdutzt die Bugen, als ich unsern gestrigen Wirt in Begleitung jener 
Kaufleute, welche Teilnehmer des Gelags gewesen waren, bei mir ein¬ 
treten sah. Sie schüttelten mir treuherzig die Hand und eröffneten mir 
lachend, das gestrige Trinkfest sei absichtlich von ihnen angestellt worden, 
um unter uns Neunen den rechten Mann auszusuchen, dem sie, als dem 
besonnensten, eine wertvolle Ladung anvertrauen könnten. Einstimmig 
wäre ihre Wahl auf mich gefallen, und so frügen sie mich, ob es mir an¬ 
stünde, ein volle Ladung Thee nach Amsterdam zu übernehmen. 
Leicht kann man denken, daß ich nicht nein sagte. Es war eine 
der reichsten Frachten, die auf Brettern schwammen, und die mir für ein 
Frachtgeld von 35 000 Talern und fünf Prozent Havarie*) zugeschlagen 
wurde. Nach Joachim Nettelbeck. 
200. Tarnung vor Kleinem. 
vor kleinen Dingen nimm dich in acht! 
Groß Ungemach haben sie schon gebracht. 
Ein Fehlerchen trägt man mit Geduld; 
ein Tälerchen macht noch keine Schuld. 
Ein Gläschen noch ist ja nie zu viel, 
und ein Spielchen ist noch kein Spiel. 
Ein Späßchen, das nimmt noch keiner krumm, 
und ein Räuschchen bringt noch nicht um. 
Und eh' du dich noch versiehst des Falls, 
fällst über ein Steinchen und brichst den hals. J°h. Trojan. 
*201. Eine brave Arbeiterfrau. 
Ein Kattundrucker in einer großen Fabrikstadt, der sich an den täg¬ 
lichen Besuch des Wirtshauses gewöhnt hatte, ließ sich von seiner jungen 
Frau überreden, ihr auch jeden Tag ein Maß Bier zuzubilligen. Zuerst 
*) Bezeichnung für die Schäden, welche ein Schiff oder dessen Ladung während einer 
Seereise treffen.
	        
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