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Geschichte.
I
Die Stadtverordneten-Versammlnng hatte über alles zu beschließen, was die
Stadt anging. Die Stadtverordneten wählten den Magistrat, der die
Stadt nach ihren Beschlüssen verwalten mußte. An seiner Spitze stand ein
besoldeter Bürgermeister, der in großen Städten Oberbürgermeister hieß.
Die Städteordnung war für das Aufblühen der Städte von größter Be¬
deutung; denn sie weckte im Bürgertum Tatkraft, Gemeinsinn und Opfer-
freudigkeit. Fast alle Bestimmungen bestehen noch heute.
ck) Befreiung der Bauern. Die Bauern waren noch immer in sehr
bedriickter Lage. In Ostpreußen, besonders in Litauen, hatten sich noch freie
Bauern erhalten, in allen andern Gebieten des Landes waren sie mit wenigen
Ausnahmen erbuntertänig. Sie durften mit ihren Familien die Höfe,
auf denen sie faßen, nicht verlassen. Bauernsöhne und Bauerntöchter mußten
die Einwilligung ihrer Grundherren einholen, wenn sie sich verheiraten wollten.
Nur in Ansnahmefällen gaben die Grnndherren Bauernkindern die Erlaub¬
nis dazu, sich als Knechte oder Mägde auswärts zu vermieten. — Der
König erließ nun von Memel aus eine Verordnung, nach der die Erb-
untertänigkeit der Bauern aufgehoben wurde. Weil diese Verordnung
des Königs nicht nur die Bauern allein betraf, sondern überhaupt den
„freien Gebrauch des Grundeigentums" gestattete, so war sie auch
für die andern Stünde von größter Bedeutung. Der Edelmann durfte fortan
auch Güter der Bürger und Bauern kaufen und bewirtschaften, und den
Bürgern und Bauern stand es frei, adlige Güter zu erwerben.
6) Einführung der Gewerbefreiheit. Auf den Rat Hardenbergs
wurde im Jahre 1810 die Gewerbefreiheit eingeführt. Jeder unbescholtene
preußische Untertan konnte fortan fein Gewerbe selbständig treiben, auch wenn
er keiner Zunft angehörte, was bis dahin verboten war. Jedem Bürger
und Bauern stand es nunmehr frei, zu kaufen und zu verkaufen, wo es ihm
beliebte. Auch das Gesinde hatte mehr Freiheit erlangt. — Im Jahre 1812
wurden auch die im Lande ansässigen Juden für preußische Untertanen erklärt.
k) Verbesserung des Heerwesens. Gleich nach dem unglücklichen
Kriege setzte der König eine Kommission ein, die das Heerwesen neu regeln
sollte. An die Spitze derselben trat Scharnhorst, der Sohn eines Bauern
aus Hannover. General Gneisen au stand ihm treu zur Seite. Die An¬
werbungen von Soldaten im Auslande wurden abgeschafft; denn es sollte
fortan die allgemeine Wehrpflicht gelten. Jeder wehrfähige Jüngling
oder Mann war von nun an verpflichtet, zum Kampfe die Waffen zu er¬
greifen, wenn der König ihn rief. Das Heer erhielt bessere Kleidung und
Ausrüstung, und durch neue Kriegsartikel suchte man besonders das Ehr¬
gefühl zu heben. So wurde der Soldatenstand ein Ehrenstand. — Die
allgemeine Wehrpflicht konnte jedoch nicht sofort in vollem Umfange durch¬
geführt werden; denn das Land war zu arm, um ein großes Heer zu er¬
nähren, und Napoleon hatte bald nach dem Tilsiter Frieden bestimmt, daß
nicht mehr als 42000 Mann unter den Waffen gehalten werden durften.
Scharnhorst richtete es jedoch so ein, daß die Rekruten so schnell wie möglich
nusgebildet, dann entlassen und durch neue ersetzt wurden. Deshalb konnte