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abziehen müssen, wenn nicht der bestochene Befehlshaber, von Ratschau,
im Morgengrauen des 29. Juni den Feinden das Thor geöffnet hätte.
Alle Verteidiger, 2000 an der Zahl, wurden niedergehauen. Recht und
billig war es, daß auch der Befehlshaber für seine Judasthat den Judas¬
lohn empsing. Die Stadt wurde geplündert, und unermeßlich war die
Beute, welche die Hnssiten in langen Wagenreihen davon führten. Nur
Aschenhaufen bezeichneten den Ort, da die Stadt gestanden, und Trümmer¬
haufen den Ort, da das Schloß gestanden hatte. Wie unmenschlich die
Sieger gehaust haben, beweist unter anderm auch der Umstand, daß sie
12 Mönche auf dem Kirchhofe lebendig begraben haben.
Von Planen weg wandten sich die Hnssiten nach Franken und
kehrten über Niederbayern heim; daher haben die nördlichen Gebiete des
Vogtlandes in diesem Kriege nur wenig gelitten.
4. Über den Ablaßkram.
Vielleicht bist du einmal Dienstag vor dem ersten Advent in Gro߬
aga, oder, wenn du ein Kind des Oberlandes bist, am Tage Johannes
des Täufers, am 24. Juni, in Rödersdorf zum Appelsmarkte gegangen.
Der Ursprung dieser Jahrmärkte liegt weit hinter der Reformation.
Appelsmarkt ist soviel wie Ablaßmarkt; er hängt mit dem Ablasse zu-
sammen, das ist mit dem Erlasse der kirchlichen Büßungen gegen gute
Werke, namentlich gegen Geld, das zu frommen Zwecken verwandt wurde.
Es hatte nämlich schon die alte Kirche für Übertretungen der kirch¬
lichen Zucht und Sitte mehr oder weniger harte Strafen angesetzt. Grobe
Sünder wurden mit dem Banne belegt, aus der Kirche ausgestoßen, so
daß sie nicht zum heiligen Abendmahle und zum Patenamte zugelassen,
auch ohne Sang und Klang und ohne Teilnahme des Geistlichen be¬
graben wurden. Für geringere Vergehen wurden Geißelungen, Fasten,
Gebetsübungen, Stehen im Büßergewande an der Kirchthür während des
Gottesdienstes, Wallfahrten u. s. w. bestimmt. Wer diese Strafen nicht
bei Lebzeiten vollständig abgebüßt hatte, so lehrte die Kirche, müsse nach
dem Tode noch im Fegefeuer zeitliche und leibliche Strafen erleiden.
Aber Maria und die Heiligen hätten viel mehr gute Werke gethan, als
zu ihrer Seligkeit nötig gewesen wären. Dadurch wäre ein Schatz guter
Werke entstanden, über den der Papst zum Besten der Sünder verfügen
könne. Wer sich Bußübungen unterzöge, Wallfahrten übernähme oder
Geld zu Almosen, milden Stiftungen, Kirchenbauten u. s. w. schenke,
dem könne der Papst aus diesem Schatze so viele gute Werke zuteilen,
daß er der zeitlichen Sündenstrafen und der Qualen des Fegefeuers frei
und ledig würde. Gar bald wurde der Ablaß auf Vergebung der
Sünden überhaupt ausgedehnt. Anfangs mußte man ihn in Rom holen,
später aber wurde er vom Papste einzelnen Bischöfen übertragen, endlich
wurden sogar Ablaßkrämer ausgeschickt, welche mit der Vergebung der
Sünden wie mit einer Marktware Handel trieben.
Unter den Ablaßkrämern, welche zur Zeit Luthers von Papst Leo X.
nach Deutschland geschickt wurden, um von den dummen Leuten das
Geld zum Bau der prächtigen Peterskirche in Rom zu erpressen, war