§ 28. Volksleben im 17. und 18. Jahrhundert.
51
münzen verteilt, ein großer Ochse, gefüllt mit Schafen, Rehen, Hasen und
Hühnern ward ihm auf offenem Markt gebraten, und zwei Springbrunnen
spendeten roten und weißen Wein. Der König nannte sich nun Friedrich I.
/4. Friedrichs Regierung war oft verschwenderisch, da er wie die meisten
Fürsten seiner Zeit dem verderblichen Vorbilde Ludwig XIV. folgte. Das
Volk litt darum unter hartem Steuerdruck. Aber er förderte auch die Wissen¬
schaft und die Kunst. In Halle gründete er eine Universität und begünstigte
August Hermann Francke, den Gründer des Waisenhauses daselbst in seinen
Bestrebungen. Nach Berlin rief er den großen Gelehrten Leibniz, den ersten
Leiter der neugegründeten Akademie der Künste, der sich der Freundschaft der
anmutigen und geistreichen Königin Sophie Charlotte erfreute. Schlüter
erbaute im Dienste des Königs das königliche Schloß und das Zeughaus und
schuf neben anderen Kunstwerken das Reiterstandbild des großen Kurfürsten.
8 28. Volksleben im 17. und 18. Jahrhundert.
1. Rückblick. Das deutsche Volksleben hatte sich in seiner ihm eigen¬
artigen Kraft seit dem Mittelalter weiter entwickelt und durch die Reformation
einen bedeutenden Aufschwung erhalten. War es doch Luther, der eS zuerst
erkannte, daß auch dem gemeinen Manne ein gewisser Grad von Bildung not¬
wendig sei, und der darum die Fürsten und freien Städte veranlaßte, hohe
und namentlich auch niedere Schulen, Volksschulen, zu gründen. Doch schon
im 10. Jahrhundert trat durch die unseligen Streitigkeiten zwischen den einzelnen
Konfessionen ein Stillstand ein.
2. Der furchtbare dreißigjährige Krieg zerstörte nicht allein die Wohl¬
habenheit des deutschen Volks, sondern raubte demselben auch viele schöne
Tugenden. Kirchen und Schulen waren zerstört oder standen verödet, und
das Volk, wie seine Gelehrten und der Adel begannen die Franzosen in Sitte,
Sprache und Tracht nachzuäffen. An den deutschen Fürstenhöfen galt
der üppige Hofhält Ludwig XIV. als Vorbild. Prachtbauten und Gartenan¬
lagen wurden in französischem Geschmack ausgeführt, und eine Festlichkeit jagte
die andere. Die Steuern wuchsen zu kaum erschwingbarer Höhe, und doch
hatte das Land keinen Vorteil von den vermehrten Einnahmen. Die Unter¬
haltungssprache war die französische, und geldgierige und leichtsinnige Franzosen
erfreuten sich als Vertraute der Fürsten deren Gunst. In dem allen machten
die meisten der Hohenzollernfürsten eine rühmliche Ausnahme. Der große
Kurfürst war ein echt deutscher Mann und Friedrich Wilhelm I. geradezu ein
Feind alles französischen Wesens.
3. Der deutsche Adel war durch den dreißigjährigen Krieg verarmt. Mit
der Wohlhabenheit schwand bei vielen Adligen der alt-ritterliche heldenhafte
Sinn. Nicht mehr im ernsten Waffendienste wuchs der Junker heran, sondern
er zog nach Paris, um dort französische Sprache und Sitten zu lernen. Heim¬
gekehrt zeigte er ganz offen seine Verachtung der guten Sitten aus der Väter
Zeit und führte ein leichtsinniges, oft lasterhaftes Leben, wie er es am fran¬
zösischen Hofe gesehen hatte. Vielfach trieb ihn seine verhältnismäßige Armut
und die Sucht nach Titeln und Orden an den Hof des einheimischen Fürsten,
wo er ja im kleinen das fand, was er in Frankreich kennen gelernt hatte:
Hoffeste im französischen Stile, steife Umgangsformen und (für unseren Ge¬
schmacks lächerliche Trachten, (unförmliche Reifröcke der Frauen, große Perücken,
kleine Hütchen u. s. w. bei den Männern).
4. Aber auch der Bürgerstand befand sich nicht mehr auf der Höhe früherer
4*