§ 28. Volksleben im 17. und 18. Jahrhundert.
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Krönungstage legte Friedrich den glänzendsten königlichen Schmuck an,
setzte sich dann in Gegenwart der Großen seines Landes mit eigenen Händen
die goldene Krone auf sein Haupt, um anzudeuten, daß er seine königliche
Würde niemand verdanke. Darauf begab er sich in feierlichem Zuge mit
der Königin in die Schloßkirche. Hier bestiegen sie die Throne an beiden
Seiten des Altars. Nach Predigt und Gesang legte Friedrich Krone und
Zepter ab, kniete mit der Königin vor dem Altar nieber und empfing mit
ihr die Salbung. Hierauf folgte im Schlosse ein festliches Krönungsmahl.
— Auch dem Volke ward ein Fest bereitet: Es wurden für 18000 Mark
Krönungsmünzen verteilt, ein großer Ochse, gefüüt mit Schafen, Rehen,
Hasen und Hühnern ward ihm auf offenem Markt gebraten, und zwei
Springbrunnen spendeten roten und weißen Wein. Der König nannte sich
nun Friedrich I. In Königsberg gründete er ein großes Waisenhaus, um
Gott zu danken für seinen Beistand.
4. Friedrichs Regierung war oft verschwenderisch, da er wie die
meisten Fürsten seiner Zeit dem verderblichen Vorbilde Ludwigs XIV. folgte.
Aber er förderte auch die Wissenschaft und die Kunst. In Halle gründete
er eine Universität und begünstigte August Hermann Francke, den
Gründer des Waisenhauses daselbst, in seinen Bestrebungen. Nach Berlin
rief er den großen Gelehrten Leibniz, den ersten Leiter der neugegründeten
Akademie der Künste, der sich der Freundschaft der anmutigen und
geistreichen Königin Sophie Charlotte erfreute. Der König ließ in
Berlin das königliche Schloß und das Zeughaus erbauen und das Reiter¬
standbild des Großen Kurfürsten errichten.
§ 28. Volksleben im 17. und 18. Jahrhundert.
1. Das deutsche Volksleben hatte sich im Mittelalter kräftig entwickelt.
Wohlstand und eine gewisse Behäbigkeit waren auch im einfachen Bürger¬
hause zu finden. Das Reformationszeitalter hatte auch auf das geistige
Leben des Volkes anregend gewirkt. Man war in jener Zeit zu der Er¬
kenntnis gekommen, daß auch dem gemeinen Manne ein gewisser Grad von
Bildung notwendig sei; darum hatten Fürsten und Städte begonnen, hohe
und namentlich auch niedere Schulen zu gründen. Aber durch die unseligen
Religionsstreitigkeiten war gegen das Ende des 16. Jahrhunderts ein Still¬
stand eingetreten.
2. Der furchtbare Dreißigjährige Krieg zerstörte nicht allein die Wohl¬
habenheit des deutschen Volks, sondern raubte demselben auch viele schöne
Tugenden. Kirchen und Schulen waren zerstört oder standen verödet, und
das Volk, wie seine Gelehrten und der Adel begannen die Franzosen in
Sitte, Sprache und Tracht nachzuäffen. An den deutschen Fürstenhöfen
galt der üppige Hofhält Ludwigs XIV. als Vorbild. Prachtbauten und
Gartenanlagen wurden in französischem Geschmack ausgeführt, und eine
Festlichkeit jagte die andere. Die Steuern wuchsen zu kaum erschwingbarer
Höhe, und doch hatte das Land keinen Vorteil von den vermehrten Ein¬
nahmen. Die Unterhaltungssprache war die französische, und geldgierige,