Full text: Deutsches Lesebuch für einfache Schulverhältnisse

272 
selbstgesponnenen und gewebten leinenen Ge»vaude, mit einen» Purpurstr^f 
als Gürtel verziert. Der Mann kannte keinen andern Schmuck als seE 
Waffen, seinen Schild imb seinen Helm. Bei den Sueven trug er das 
Haar in einem Büschel auf dem Scheitel zusammengebunden, des kriege¬ 
rischen Ausdrucks wegen; bei de»» Sachsen »vurde es gescheitelt und hing, 
zu niäßiger Länge verschnitten, auf die Schultern herab. 
3)ie einfache Kost bestand vorzüglich ans Fleisch- u»»d Milchspefleu- 
A us Hafer und Gerste bereiteten sie ihr Lieblingsgetränk, das Bier. Auñ 
Meth aus Wasser u»»d Honig kannten sie; denn Honig bereiteten ihnen 
die »vilden Bienen in den Wäldern in vorzüglicher Güte m»d Menge- 
Am Rhein verschmähten sie auch den von Römern gebrachten Wein nicht- 
Kein Volk ehrte die Gastfreundschaft höher als die Deutschen- 
Einen Freuldcn, wer er auch sei, von seinem Hause zurückzuweisen, war 
sehr schimpflich gewesen. Ein jeder nahm ihn an seinen» Tische auf u>w 
bewirtete ihn nach seinem Vermögen; war sein Vorrath aufgezehrt, so wurde 
der, »velcher noch eben Wirt gewesen, der Wegweiser und Begleiter des GE 
freundes, und ungeladen traten beide in das nächste, beste Ha»»s ein.. Auch 
wurden sie gleich freundlich empfangen. Wenn der Fremde Abschied nahiw 
so erhielt er als Gastgeschenk, »vas er begehrte, n»»d der Geber forderte 
seinerseits eben so frei i»nd offen. Das gutmüthibe Volk hatte Freude a» 
Geschenken: aber sie rechnete»» »veder die Gabe, dre sie empfangen hatten, 
hoch an, noch hielten sie sich durch dieselbe sehr verpflichtet. 
Nicht selten rathschlagten die Deutschen bei ihren Gastmähler»» übe 
die wichtigsten Angelegenheiten, über die Versöhnung zwischen Feinds, 
über Bündnisse und Freundschaften, über die Wahl der Fürsten, ja E 
Krieg und Frieder», »veil die Fröhlichkeit des Mahles und der GesellsäE 
die Geheimnisse der Brust ausschloß. Aber am folgenden Tage würd 
das, »vas so ans Licht gekommen war, in endliche Ueberlegung genomiiu'", 
so daß das Verhält»,iß beider Zeiten richtig gestellt war; sie rathschlagten 
»veun sie sich nicht verstellen konnten, und faßten den Beschluß, »venu V 
zu ruhiger Ueberlegung fähig waren. 
Bei ihren Mahlen hatten sie eine eigene Art von Schauspiels. 
Nackte Jünglinge tanzten zwischen bloßen Schwertern und aufgerichtete. 
Spießen, »richt um Lohn oder Ge»vin»»st, sonden» der Lohn dieses Ia' 
kühnen Muthwilleus war das Vergnügen der Zuschauer und die EY 
solcher gefahrvollen Kunst. , 
Das Würfelspiel trieben sie — wie uns Tacitus voll Verwunde»"' > 
erzählt — nüchtern, als ein ernstes Werk und mit solcher Begierde 
Gervinn u»»d Verlust, daß sie, »venn alles verloren war, auf den letz" 
Wurf ihre Freiheit und sich selbst »vagten. Der Verlierende ging in ^ 
freiwillige Knechtschaft; wenn gleich jünger mito stärker als der Gcg"^ 
ließ er sich doch geduldig binden und als Knecht verkaufen. So stauvIE 
vielten sie ihr Wort, selbst in einer schlechten Sache. „Sie nennen d 
Treue," sagt der römische Schriftsteller. Fr. Kohlrausch-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.