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hatten. Mit großem Fleiße begannen nunmehr die Sachkundigen
den Bau des Kriegszeuges; allein so groß mar die Armut der Fürsten,
daß die Kosten dieser Arbeiten lediglich aus den von dem Volke dar¬
gebrachten milden Beiträgen bestritten werden mußten. Alle aber,
die Vornehmsten wie die Geringsten, zeigten gleichmäßig die äußerste
Tätigkeit, und wer nicht an dem Bau jener Belagerungswerkzeuge un¬
mittelbar teilnehmen konnte, half wenigstens den Boden ebnen, schaffte
Gesträuch zu Schanzgräben herbei oder suchte auf irgend eine andre
Weise das große Unternehmen zu fördern. Dennoch hielten die Be¬
lagerten sich ruhig und hofften den Untergang der Pilger von einem
neuen Übel, das furchtbar über diese hereinbrach.
2. Die wasserarme Gegend war durch die höchste Hitze des Som¬
mers noch mehr ausgedörrt, der Bach Kidron versiegt, Silon un¬
schmackhaft, und alle andern benachbarten Quellen von den Sara¬
zenen verschüttet oder zerstört. In Schläuchen und auf Lasttieren
mußten die Wallfahrer das Wasser an sechs Meilen weit holen und
wurden dabei oft und gefährlich von den auflauernden Arabern be¬
unruhigt. Niemals aber reichte das Wasser für den Bedarf des
Heeres; man verkaufte es zu hohen Preisen, man stritt und schlug
sich über den Besitz und über die Reihe des Schöpfens. Zuerst
stürzten deshalb die Pferde und andre Lasttiere in großer Zahl
verschmachtend zu Boden, und ein verpestender Gestank erfüllte die
ganze Gegend. Später erlagen auch die Menschen, weil sie nirgends
Schatten gegen die stechende Sonne fanden, nirgends Schutz wider
die glühenden Südwinde. Immer erzeugten leichte Wölkchen die Hoff¬
nung des Regens, und immer wurde man getäuscht. Da suchten die
Pilger sich in die kühlere Erde einzugraben und legten frische Erd¬
schollen auf ihre Brust; aber bald hatte die Hitze auch jene durch¬
drungen. Sie tranken hierauf Blut und leckten den feuchten Nieder¬
schlag von den Steinen; allein diese widerliche Hilfe reizte und
erhöhte fast noch das Bedürfnis. Schrecklicher erschien der Durst vor
Jerusalem als der Hunger vor Antiochien! Deshalb eilten viele
zum Jordan oder flohen gen Joppe; sie erlagen aber gewöhnlich
den Nachstellungen der Türken. Andre, wehmütig klagend, daß sie
weder ihre Heimat wiedersehen, noch, so nahe dem Ziele, Jerusalem
betreten sollten, näherten sich den Mauern der heiligen Stadt, mit
diese wenigstens zu küssen; allein sie wurden nicht selten von den
Steinen zerschmettert, welche die Sarazenen auf sie hinabwarfen.
Friedrich v. Raumer.