Full text: Deutsches Lesebuch für ein- und zweiklassige Schulen

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selben Zeit war Markgraf Otto von Brandenburg ein Feind des 
Doms zu Magdeburg, weil er die Wahl seines Bruders Erich zum 
Erzbischof durchsetzen wollte. Er zog mit großer Heereskraft heran, 
hatte Böhmen und Polen und Pommern in seinem Heere und kam 
bis nach Frohse an der Elbe. Dort lagerte er und rühmte sich törichter¬ 
weise, er werde am folgenden Tage im Magdeburger Dom seine 
Pferde stallen. Abends sandte er vor die Stadt und ebenso um 
Mitternacht und ließ ausspähen, was die Bürger und der Bischof 
täten. Bei Tagesanbruch sandte er wiederum vor die Stadt, und 
die Boten brachten die Meldung zurück, die Stadt sei voller Posaunen 
und Pfeifen und Trommeln. Denn der neuerwählte Bischof hatte 
die Fahne des heiligen Moritz entfaltet und war mit ihr auf dein 
Markte vor dem Rathause und forderte das Volk auf, ihm zu folgen. 
Dazu war das Volk bereit. Sie erhoben sich männlich und bestanden 
den Markgrafen bei Frohse, gewannen die Schlacht und fingen den 
Markgrafen mit vielen Rittern und Knappen. Sie führten ihn nach 
Magdeburg in die Stadt und ließen' ihn in Eisen legen und so lange 
darin halten, bis man einen Kasten von dicken Bohlen hatte machen 
lassen; da hinein sperrte man ihn. 
2. Der Markgraf aber wurde auf folgende Weise wieder aus¬ 
gelöst. Er sandte zu seiner Gemahlin und bat sie, zu ihm zu kommen. 
Er trug ihr auf, mit seinen Dienstmannen und besonders mit dem 
Alten von Buch sich zu besprechen, der seiner Eltern Ratgeber gewesen, 
von ihm aber entlassen war. Das tat die Markgräfin, und als sie 
mit dem Ritter von Buch sprach und ihn bat, antwortete dieser: 
„Mein Herr hat mich vertrieben und mich aus seinem Rate ent¬ 
lassen und mir genommen, was ich von seinen Eltern hatte. Mein 
Rat taugt ihm nicht." Die Markgräfin weinte und versprach, daß 
ihr Herr das alles wieder gut machen würde. Zuletzt gab er ihr 
den Rat, sie solle bares Geld nehmen und nach Magdeburg gehen 
und davon jedem Domherrn und Dienstmann, die er namhaft machte, 
heimlich ein Geschenk geben, dem einen hundert Mark, dem andern 
fünfzig, dem einen mehr, dem andern weniger. Das tat sie. 
3. Dann unterhandelte man über die Befreiung des Mark¬ 
grafen. Als nun der Bischof bei seinen Mannen und Herren Um¬ 
frage hielt, da rieten sie ihm, ihn unter der Bedingung loszulassen, 
daß er vier Wochen nachher in die Gefangenschaft zurückkehre oder 
binnen dieser Zeit 4000 Mark zahle. Der Bischof befolgte ihren Rat. 
Der Markgraf aber kam zu den Seinigen und suchte Rat. Der Ritter 
von Buch fragte den Herrn, wie er selbst mit seinen Mannen darüber 
denke. Man antwortete, man wisse keinen andern Rat, als daß 
man die Kelche und alles Silber aus den Kirchen des ganzen Landes 
Lesebuch für ein- und ziveiklassige Schulen. 19
	        
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