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291. Bilder aus Japan.
1. Japan ist für den Europäer ein Land, das reich ist an
absonderlichen Schönheiten, ein Land, das man lieb gewinnt und
in der Erinnerung lieb behält. Wie ragt majestätisch über die
Riesenbucht von Jeddo der mächtige, prächtige Fusiyama, jener
3780 Meter hohe Vulkan in seinem weißen, glitzernden Schnee¬
mantel, der ihm wie ein fürstlich Gewand über die platten Schul¬
tern wallt! Wie rauschen in den Bergklüften die Bäche zu Tal
mit schaumigem, grünlich schillerndem Wasser! Wie wunderbar
schön bekleiden jene herrlichen japanischen Riesentannen, unter¬
mischt mit stolzen, ernsthaften Zypressen, die Bergwände in
lückenlosem Forste! Und im Frühlinge, unten im Süden, wie geht
siclTs da gut unter den Kamelienbäumen! Nicht etwa 60 bis
90 Zentimeter hohe Bäumchen in Töpfen oder Kübeln sind es,
nein, wirkliche Bäume bis zu 7 Meter Höhe, mit starken Ästen,
dicht verzweigt. Und zwischen den blanken, dunkeln, lederartigen
Blättern leuchtet und glüht es von tausenden, oft handgroßen
Purpurblüten, während der Fuß des Wandrers auf einen dichten
Teppich abgefallener Blumen tritt. Nicht weit davon schaut
über die sauber geflochtene Bambushecke eine lange Reihe von
Orangenbäumen her, mit großen, goldnen Früchten beladen, und
hinter dem Dorfe nimmt uns ein Bambushain auf: stolze, lanzen¬
gerade Schäfte, am Wurzelende gegen 20 Zentimeter im Durch¬
messer und bei zehn, dreizehn Meter sich verjüngend bis zur
feinen, schwanken Spitze, leicht und zierlich belaubt, ein könig¬
lich vornehmes Schilfgewächs. Über dem an die Bergwand dort
geschmiegten Tempel mit dem zeltförmig ausgeschwungnen Dache
wölbt sich der mächtige Schirm der riesigen, heiligen Kampfer¬
bäume, die mit unsern gewaltigsten Eichen den Wettkampf auf¬
nehmen. Auf dem Dachfirste der leichten Häuser, die freundlich
aus dem Grün hervorlugen, blüht aus dem schwertähnlichen Blatt¬
werk die blaue Iris als lieblicher Schmuck. Smaragdfarben lachen
und leuchten die lichten Reisfelder über die fruchtbare Ebene
her, daß man nicht satt wird, vom Bergeshange hinabzublicken
in so viel liebliche Schönheit.
2. Schwerfällig wandelt, mit Holz beladen, ein Stier vor
seinem Treiber den ausgetretenen Weg zu Tal; drunten klingen
die Glöckchen der Hengste, die im langen Zuge von der Stadt
heim kommen, der sie in großen Saumtaschen Gemüse, Holz¬
kohlen und dergleichen am Morgen zugeführt haben. Wie wir
hinabsteigen und durch die Gassen des saubern Dorfes dem Strande