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zuwandern, an dem das Boot unser harrt, stehen die Leute
in den Türen und wünschen uns freundlich in ihrer Sprache
einen guten Abend: „Kombanwa!“ schallt es zuvorkommend zu
uns herüber. Hier und da tritt wohl auch ein Büblein, etwas
zaghaft freilich, an uns heran und reicht uns eine jener großen
Limonen, die wir eben bewundert haben, und am nächsten Hause
bricht uns der Vater einen großen, blütenbedeckten Zweig vom
Kamelienbaume, über den wir uns gefreut haben.
3. Wenn’s Frühling geworden ist, der wilde, wunderschöne,
hellrosa Kirschbaum prächtig in Blüte steht, der Bambus junge
Schossen treibt und die Kamelien über den niedrigen Fächer¬
palmen ihren fürstlichen Staat anlegen, dann zieht’s den Ja¬
paner hinaus, dann geht auf die Wanderschaft, in die Berge,
in die blühende Ferne, wer kann. Wer ein Gelübde getan hat
in harter Winterszeit, der zieht hin, in ferngelegnen Tempeln
zu beten; wer liebe Verwandte hat, pilgert zu ihnen hin durch
die junge Herrlichkeit — und sie wissen gar wohl, wo’s schön
ist! Und wer keinen besondern Grund hat, der wandert eben
ohne solchen. Den breiten, gewölbten Strohhut auf dem Kopfe,
die Sandalen an den Füßen, welche in kurzen genähten Strümpfen
stecken und im Kimono, dem Schlafrock ähnlichen, vorn offnen
Gewände mit weiten Ärmeln, und die Kürbisflasche umgehängt —
so ziehen sie fröhlich ihres Wegs.
Wer’s haben kann oder ein wenig faul ist, etwa auch zu
schwach zum Gehen, der läßt sich im Jenrikscha fahren, einem
ganz eigentümlichen Fahrzeuge. Es ist ein kleiner, offner, auf
Federn ruhender, zweirädriger Wagen, meistens nur für eine
Person berechnet, und in der Gabel geht oder läuft vielmehr ein
Mensch. Da könnte nun vielleicht einer meinen, das sei doch
wohl eine etwas mangelhafte Beförderung; aber das wäre seiner¬
seits ein Irrtum. Ich habe es selbst erlebt, daß diese Leute
innerhalb zwölf Stunden acht deutsche Meilen auf zum Teil vom
Regen aufgeweichten Wegen machten und zum Schlüsse noch
miteinander ein Wettrennen veranstalteten. Am Abend wird vorn
unter das Wägelchen eine Papierlaterne gehängt, und es sieht
gar hübsch aus, wenn die hin- und herfahrenden Lichter wie die
Leuchtkäfer durcheinander huschen.
4. Der wertvollste Besitz des Japaners ist sein Reisfeld.
Es ist keine Kleinigkeit, das zu bestellen. Den Winter über
werden die durch niedrige, schmale Dämme — welche die eigent¬
lichen Wege des Landes sind — eingehegten Felder unter Wasser
gesetzt, damit das Unkraut abfault. Im Frühling öffnet man