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Nimm hier die alte Klinge!
Sie ist der Stalden Preis.
Und fällst du, so verschlinge
Die Flut mich armen Greis!"
Und horch! es schäumet und
es rauscht
Der Nachen übers Meer,
Der blindeKönig steht und lauscht,
Und alles schweigt umher,
Bis drüben sich erhoben
Der Schild' und Schwerter Schall,
Und Kampfgeschrei und Toben
Und dumpfer Wiederhall.
Da ruft der Greis so freudig
bang:
„Sagt an, was ihr erschaut!
Mein Schwert, ich kenn's am
guten Klang,
Es gab so scharfen Laut." —
„Der Räuber ist gefallen,
Er hat den blut'gen Lohn;
Heil dir, du Held von allen,
Du starker Königssohn!"
Und wieder wird es still umher,
Der König steht und lauscht:
„Was hör' ich kommen übers
Meer?
Es rudert und es rauscht."
„Sie kommen angesahren,
Dein Sohn mit Schwert und
Schild,
In sonnenhellen Haaren
Dein Töchterlein Gunild."
„ Willkommen!" ruft vom hohen
Stein
Der blinde Greis hinab,
„Nun wird mein Alter wonnig sein
Und ehrenvoll mein Grab.
Du legst mir, Sohn, zur Seite
Das Schwert von gutem Klang,
Gnnilde, du Befreite,
Singst mir den Grabgesang."
71. Unser Vaterland.
Kennt ihr das Land, so wunderschön
In seiner Eichen grünem Kranz,
Das Land , wo aus den sanften Höh'n
Die Traube reist im Sounenglanz?
Das schöne Land ist uns bekannt;
Es ist das deutsche Vaterland.
Kennt ihr das Land, vom Truge frei,
Wo noch das Wort des Mannes gilt,
Das gute Land, wo Lieb' und Treu'
Den Schmerz des Erdenlebens stillt?
Das gute Land ist uns bekannt;
Es ist das deutsche Vaterland.
Kennt ihr das Land, wo Sittlichkeit
Im Kreise frommer Menschen wohnt,
Das heil'ge Land, wo unentweiht
Der Glaube an Vergeltung thront?
Das heil'ge Land ist uns bekannt;
Es ist ja unser Vaterland.
Heil dir, o Land, so hehr und groß
Vor allen auf dem Erdenrund!
Wie schön gedeiht in deinem Schoß
Der edlen Freiheit schöner Bund!
Lesebuch für Ober-Klassen. 5