— 207 —
Das Schloß im Park lag schon weit hinter dem Reiter; der letzte
Lichtschimmer der erleuchteten Fenster war verschwunden.
Nun passierte der Offizier ein Gehöft. Jetzt konnte er seitwärts des
Weges die dunkeln Umrisse lagernder Truppen erkennen. Auf dem weichen
Wege griff der Wallach in schlankem Trabe brav aus. Schweres November¬
gewölk bedeckte den Himmel; leiser Wind strich von rechts. Es war recht kühl.
Tiefe Finsternis herrschte; man konnte nicht auf drei Schritte sehen.
Mit langen Zügeln überließ sich der Reiter der sichern Führung seines
Pferdes. Rasch flogen Roß und Reiter dahin.
Ab und zu wurde das Gewölk lichter; so kam man durch einen Wald,
zum Glück auf gerader Bahn.
Zwölf Kilometer sind zurückgelegt; also ein Viertel des Weges —
überlegte der Offizier. Jetzt Vorsicht!
Aus der Ferne erklang Geräusch. An der Einmündung des Pfades
m eine Landstraße hielt er an und horchte. Hufschlag aus dem harten
Wege war zu vernehmen; sechs bis zehn Pferde mochten es sein.'
Ohne Zögern lenkte der Adjutant sein Tier von der Straße; es
verlor sofort den Boden unter den Füßen, sprang aber sicher ab, wobt
auf eine tiefer liegende Wiese. Gebüsch war in der Nähe. '
Bald trabten, von der feindlichen Seite kommend, Reiter vorüber;
aus rasch gesprochenen einzelnen Worten war sicher zu entnehmen, daß
es Feinde seien.
Der Wallach stand wie eine Mauer.
Das letzte Geräusch ist verhallt. Der Offizier setzt seinen Weg in
schneller Gangart fort; denn der Zeitverlust muß eingeholt werden.
Rechts und links vorwärts erscheint der Horizont leicht rötlich ge¬
färbt. Es ist der Widerschein feindlicher Biwakfeuer.
Da plötzlich will das Pferd im Laufe anhalten; es bricht vorn
zusammen und stürzt kopfüber in eine Vertiefung, den Reiter unter
sich begrabend.
Die Straße war mittels eines drei Meter tiefen, mit senkrechten
Rändern versehenen Grabens quer durchstochen. Bei der großen Dunkel¬
heit war das niederträchtige Hindernis erst zu sehen gewesen, als es zu
spät war. Das schwer verletzte Roß stöhnte laut.
Die scharfen Ecken des Grabens schützten den fast Begrabenen vor
der Gefahr des Erdrücktwerdens. Mühsam arbeitete sich Herr v. M.
unter dem Pferde hervor und vermochte seitlich aus dem Graben zu
klettern. Er fühlte nur Schmerzen in der Nippengegend, schien aber
sonst unverletzt zu sein. Das Tier war verloren.
Aus der Ferne ertönte Stimmengewirr: der Vorfall war bei der
nächtlichen stille wohl gehört worden. — Die Wolken hatten sich etwas
geteilt, es wurde heller.
hinal?e^ Zaloppierte ein Reiter heran: am Graben hielt er und spähte
„Vorwärts, hierher! rief er seinen Leuten zu, die im Laufschritt
hercmetlten. 1
3n diesem Augenblick wurde der linke Fuß des feindlichen Reiters
von nervigen Fäusten aus dem Bügel gerissen, er selbst aber unmittelbar
larauf aus dem Zattel geschleudert, so daß er cm der rechten Seite seines
Pferdes herunterglitt und niederstürzte.