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reiche Gelehrte aus dem Abendlande zugegen; die Zahl der Fremden stieg
zuweilen auf l 00—150,000. Das Koncil erklärte, daß seine Gewalt
unmittelbar von Christus und über dem Papste sei, es setzte alle 3 Päpste
ab und wählte einen neuen; aber alle Mißbräuche in der Kirche blieben
bestehen. — c. Johann Hust war Prediger und Lehrer an der Hoch¬
schule (Universität) in Prag. Weil er gegen die schlechten Sitten und die
Reichthümer der Geistlichen, das Mönchswesen, den Ablaß und die Ent¬
ziehung des Kelches im Abendmahl eiferte, wurde er von dem Papste in
den Bann gethan. Sein Freund Hieronymus verbrannte die Bann¬
bulle. Da forderte das Koncil zu Konstanz beide zur Verantwortung.
Trotz des kaiserlichen Geleitsbriefes wurden sie eingekerkert und zum
Feuertode verurtheilt (1415). Huß sprach: „Die Gans (das bedeutet
der Name Huß) ist ein schwaches und zahmes Thier und erhebt sich nicht
zu hohem Fluge; aber stärkere Vögel, Falken und Adler, werden nach ihr
kommen und werden, sich hochschwingend, alle Schlingen durchbrechen."
Er starb freudiges Muthes mit den Worten: „Vater, in deine Hände
befehle ich meinen Geist"; ein Jahr nach ihm sein Freund. — Als 1419
König Wenzel von Böhmen starb, wollte Siegmund das Land in Besitz
nehmen; aber die Böhmen (Hussiten) schlugen unter dem blinden Ziska,
unter Prokop d. Gr. und Prokop d. Kl. alle ungarischen und deutschen
Heere (Schlacht bei Dcutschbrod, 1422) und verwüsteten die umliegenden
Provinzen mit Feuer und Schwert, bis das Koncil von 'Basel 1436 den
Frieden herbeiführte. /vz9 ('•W****-
F. Oesterreichische oder habsburgische Kaiser. 1438—1517 (1806).
-'s §. 115» Nach Siegmunds Tode haben bis zur Auflösung des
Reichs (1806) ununterbrochen Kaiser aus dem österreichischen Hause
regiert.
1) Albrecht II. von Oesterreich war der Schwiegersohn Siegmunds und
erbte mit dessen Tode Ungarn; die Kurfürsten übertrugen ihm die Kaiserkrone,
weil sie mit Grund hofften, daß er wenig Zeit finden werde, sich um das
Gleich zu kümmern. Cr war ein trefflicher Mann, starb aber schon nach 2 Jah¬
ren, als er gegen die Türken im Felde stand. Ihm folgte sein Vetter
2) Friedrich III. von Steiermark. Er schloß sich ganz an den Papst,
um eine Stütze gegen die Kurfürsten zu gewinnen; gegen die tapfern Schweizer
rief er die wilden Armagnacs (französische Söldnei) zu Hülfe, die Elsaß und
Schwaben plünderten (1444). Er sah zu, wie in Deutschland Fürsten, Bischöfe
und Städte gegen einander im Kampfe standen, und wieder König von Poleir
den deutschen Orden in Preußen überwältigte (1466); er erlebte die Schmach,
baß seine eigenen Unterthanen ihn in Wien belagerten. Glücklicherweise er¬
litten die Türken vor Belgrad eine Niederlage (1456); aber an den westlichen
Grenzen trafen das Reich schwere Verluste durch Karl von Burgund und
Ludwig XI. von Frankreich, und König Matthias von Ungarn eroberte so¬
gar Wien einen Theil der österreichischen Länder und hielt sie bis zu sei¬
nem Tode (1490) besetzt.
t§. 116. Karl der Kühne, Herzog von Burgund, a. Seine
^orgänger hatten durch Erbschaft und Eroberung die Niederlande (alle
Länder um die Rhein-, Maas- und Schelde-Mündungen) erworben; er
selber strebte darnach, das ganze linke Rheinuser nebst der Schweiz in
seine Hand zu bringen, und hoffte, der Kaiser werde ihm die Königskrone
1438