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Die Horatier und Curiati'er.
ermunterte, wies ihnen die Gegend an, wo sie ausgesetzt und er¬
zogen worden waren, und erleichterte das Unternehmen auf alle
mögliche Weise; auch versammelten sich bald viele Leute aus der
Nachbarschaft, welche an dem Werke Theil nehmen wollten.
Allein jetzt entstand die Frage, wer der neuen Stadt den Namen
geben und über sie herrschen sollte. Endlich vereinigten sich die
beiden Brüder, die Sache durch die Götter entscheiden zu lassen.
In dieser Absicht bestieg jeder einen Hügel und wartete dort auf
das Götterzeichen. Remus erblickte zuerst sechs Geier, bald darauf
aber Romulus zwölf, deren Erscheinung überdieß noch mit Blitz
und Donner begleitet war, und jede Partei rief jetzt ihren An¬
führer zum Könige aus. Sie geriethen ins Handgemenge, und
Remus ward erschlagen. So wurde Romulus König. Er unter¬
nahm nun sogleich den Bau der Stadt, nannte sie nach seinem
Namen Rom, und wußte sie durch kluge Mittel so zu bevölkern
und zu vergrößern, daß sie noch zu seinen Lebzeiten an Macht
und Ansehen über alle Städte in der Umgegend hervorragte.
Die Horatier und Luriatier.
(670 v. Chr.)
Unter Numa Pompilius, ihrem zweiten Könige, lebten
die Römer meistens in Ruhe und Frieden; denn dieser weise
Fürst verbreitete unter dem Volke einen religiösen Sinn, welcher
es nach und nach entwilderte und am Ackerbau und anderen Be¬
schäftigungen des Friedens Geschmack finden ließ. Doch dauerte
dieser Zustand nicht lange. Als nämlich Numa mit Tod abging,
kam Tullns Hostilius, ein junger, feuriger Mann, auf den
Thron, der von Begierde brannte, sich durch glänzende Waffen-
thaten auszuzeichnen. Viel zu lange, meinte er, haben die Römer
nun schon in träger Ruhe hingebracht; es sey jetzt Zeit, sie ein¬
mal wieder ins Schlachtgetümmel zu führen, damit ihr kriegeri¬
scher Muth nicht ganz erschlaffe, und sie so die Beute jedes
tapfern Volkes würden. Als er daher die römische Zugend