Full text: Lesebuch für die 5., 6. u[nd] 7. Klasse der Volksschule

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209. Der Bürger. 
Und zu verbessern auch, wie die Zeit uns lehrt und das Ausland! 
Soll doch nicht als ein Pilz der Mensch dem Boden entwachsen 
Und verfaulen geschwind an dem Platze, der ihn erzeugt hat, 
Keine Spur nachlassend von seiner lebendigen Wirkung! 
Sieht man am Hause doch gleich so deutlich, wes Sinnes der 
Herr sei, 
Wie man, das Städtchen betretend, die Obrigkeit beurteilt. 
Denn wo die Türme verfallen und Mauern, wo in den Gräben 
Unrat sich häufet und Unrat auf allen Gassen herumliegt, 
Wo der Stein aus der Fuge sich rückt und nicht wieder ge¬ 
setzt wird, 
Wo der Balken verfault und das Haus vergeblich die neue 
Unterstützung erwartet — der Ort ist übel regieret. 
Denn wo nicht immer von oben die Ordnung und Reinlichkeit 
wirket, 
Da gewöhnet sich leicht der Bürger zu schmutzigem Saumsal, 
Wie der Bettler sich auch an lumpige Kleider gewöhnet. 
Darum hab’ ich gewünscht, es solle sich Hermann auf Reisen 
Bald begeben und sehen zum wenigsten Strafsburg und Frankfurt 
Und das freundliche Mannheim, das gleich und heiter gebaut ist. 
Denn wer die Städte gesehen, die grossen und reinlichen, ruht 
nicht, 
Künftig die Vaterstadt selbst, so klein sie auch sei, zu verzieren. 
Lobt nicht der Fremde bei uns die ausgebesserten Thore 
Und den geweifsten Turm und die wohl erneuerte Kirche? 
Rühmt nicht jeder das Pflaster? die wasserreichen, verdeckten, 
Wohlverteilten Kanäle, die Nutzen und Sicherheit bringen, 
Dass dem Feuer sogleich beim ersten Ausbruch gewehrt sei? 
Ist das nicht alles gescheh’n seit jenem schrecklichen Brande? 
Bauherr war ich sechsmal im Rate und habe mir Beifall, 
Habe mir herzlichen Dank von guten Bürgern verdienet, 
Was ich angab, emsig betrieben, und so auch die Anstalt 
Redlicher Männer vollführt, die sie unvollendet verliessen. 
So kam endlich die Lust in jedes Mitglied des Rates. 
Alle bestreben sich jetzt, und schon ist der neue Chausseebau 
Fest beschlossen, der uns mit der grossen Strasse verbindet. 
Aber ich fürchte nur sehr, so wird die Jugend nicht handeln! 
(Goethe.)
	        
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