Full text: Lesebuch für die 5., 6. u[nd] 7. Klasse der Volksschule

20.Smnspruch. — 2l.Ein wahres Waldmärcheu vom Eichbaume. 19 
20. Sinnspruch, f 
Wenn ich düster um mich seh', 
Klagt mir alles — Leid und Weh; 
Sind mir Herz und Auge sonnig, 
Lacht die ganze Welt mir wonnig. 
(tfv. Guss.) 
21. Ein wahres Waldmärchen vom Eichbaume, ff 
Setzet euch mit mir hier unter den alten Eichbaum 
auf den weichen Moosrasen! Ich will euch ein Wald¬ 
märchen erzählen, an dem aber jedes Wort wahr ist. 
Vor alten, alten Zeiten stand dort im feuchten Thale 
eine mächtige Eiche, die war höher als alle anderen 
Bäume im Walde. Sie hatte schon manches Jahrhundert 
dort ihre Früchte getragen und ausgestreut; allein keine 
von allen den vielen Eicheln, die sie herabgeschüttelt, 
war zu einem jungen Eichbaume erwachsen. Die Eiche 
war alt. Vielleicht kam bald die Zeit, dass sie bei einem 
Wintersturme zusammenbrach, und kein Nachfolger ihres 
Geschlechtes war da, der ihre Stelle als König des Waldes 
hätte einnehmen können. Rings um sie her herrschte 
ein reges Treiben. Der Luchs sai's auf den Ästen der 
Eiche und sprang hinab auf den Riesenhirsch oder 
das Elentier, die dort vorbeikamen. Der zottige Auer¬ 
ochse kämpfte dort mit dem grimmigen Bären, und 
wenn die reifen Eicheln auf den Boden unter die Kämpfer 
herabregnecen, wurden sie zertreten. Dazu kamen noch 
ganze Rudel von Wildschweinen, die im Sumpfe 
wohnten, alte Bachen mit vielen Ferkeln; die durch¬ 
pflügten mit ihren Rüsseln ringsum den ganzen Platz 
und hassen die Eicheln auf. Waren ihnen ja noch 
einige zwischen dem Gestein und Gebüsch entgangen, 
so trippelten die Waldmäuse herbei und brachten sie 
ihren Jungen als ganz besondere Leckereien. Keine 
blieb übrig.
	        
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