Object: [Teil 2 = 1. Vorschulklasse, 3. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 2 = 1. Vorschulklasse, 3. Schuljahr, [Schülerband])

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Die Geschichte vom Tyras aber haben wir im ganzen Leben 
nicht vergessen. Möge sie auch dir, junger Leser, ins Gedächtnis 
treten, wenn du jemals in Versuchung kommen solltest, gegen 
ein Tier unbarmherzig zu sein! Rudolf Dietz. 
160. Die Geschichte einer Winterfliege. 
Vor sehr langer Zeit war ich eine kleine Winterfliege. Ihr 
braucht nicht zu lachen, liebe Kinder, ich erinnere mich ganz wohl, 
daß ich an hohen Fensterscheiben auf und ab kroch und draußen 
die schwarzen Bäume und den weißen Schnee sah. Zuerst hatte 
ich noch Gesellschaft, eine lahme Brummfliege, die im Frühling 
geboren war und mir von ihm erzählte. Die schwarzen Bäume 
hatten da lauter weiche, grüne Blätter gehabt, und vor dem Hause, 
wo jetzt der Schnee lag, war alles bunt und leuchtend gewesen, 
voll Blumen und Gräser und Duft und Honig. Die blauen Wasser- 
jüngferchen hatten in der Luft geschaukelt wie lebendige Blüten, 
und die Sonne hatte einem bis ins Herz geschienen. Und ich 
sehnte mich nach dem Frühling. Die alte Fliege wurde immer 
schweigsamer; sie mochte nicht mehr leben und fiel eines Morgens 
tot aufs Fensterbrett. 
Ich mußte nun allein an ihren Frühling denken, und ob er 
wohl wiederkäme. 
Das Zimmer, in dem ich flog, war hoch und warm. Es waren 
blanke Holzrahmen da und dunkle Schnitzereien, in denen man 
gut herumklettern konnte; an Nahrung fehlte es mir auch nicht, 
das Herumfliegen machte mir aber keine Freude, ich wartete immer. 
Die alte Dame im Lehnstuhl am Fenster wartete auch, ich 
fühlte es. Sie hatte immer ein braunes Kleid an, in der Woche 
ein wollenes, am Sonntag ein seidenes. Ich kroch gern daran 
in die Höhe und setzte mich auf die weißen Spitzenmanschetten. 
Da konnte ich lange sitzen und den alten, dünnen Fingern zu¬ 
sehen, die emsig an wollenen Männerstrümpfen strickten. Manch¬ 
mal hatte sie auch eine Zeitung in der Hand und las halblaut 
vor sich hin, meist von Schiffen, die ankommen sollten; manch¬ 
mal guckte sie auch still und lange atrs dem Fenster, und ich 
dachte oft, sie müsse wohl auch auf den Frühling warten. 
Eines Tages bekam sie einen großen Brief, den las sie immer 
wieder.- Ich saß gerade auf dem hölzernen Löwenkopf an ihrem 
Lehnstuhl. „Siehst du, kleine Winterfliege,“ sagte sie, „siehst 
du, jetzt kommt mein Junge, mein Konrad,“ und sie sah ganz 
rot und glücklich aus. Von diesem Tage an trug sie immer das
	        
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