Full text: [[3] = Oberstufe, [Schülerbd.]] ([3] = Oberstufe, [Schülerbd.])

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in hohler Hand beut er ein Häuflein Gold, 
darüber des Mondenscheins blinkende Welle rollt; 
weil keiner zugreift, bittet er ganz beschämt: 
„Das hab' ich böslich vor euch verleugnet, nehmt!“ 
Den Räubern aber wird's wunderlich im Kopf, 
sie möchten lachen und spotten ob dem Tropf; 
und ihr Lippe findet doch keinen Laut, 
und ihr vertrocknetes, starres Auge taut. 
Und in dem bleiernen Schlummer, den er schlief, 
regt sich in ihnen plötzlich der Imp'rativ, 
der wunderbare, das heil'ge Gebot: „Du sollt — 
du sollt nicht stehlen!“ und vor der Hand voll Gold 
aufspringen sie, dann werfen sich all' aufs Knie, 
ein tiefes Schweigen waltet; denn Gott ist hie. 
Jetzt aber regt sich emsig die ganze Schar: 
der reicht den Beutel und der die Kette dar, 
ein dritter bringt das Pferd gesattelt, gerüst't, 
das Meßbuch reicht der Hauptmann — er hat's geküßt; 
dann helfen sie ihm zu Roß und willigem Dienst, 
nichts bleibet zurück vom neuen Räubergewinst; 
ja, mußte Herr Kant nur sein auf seiner Hut, 
daß sie ihm nicht auch schenkten gestohlen Gut. 
Er scheidet, er teilt den Segen aus vom Pferd, 
wünscht ihnen gründliche Reu', die sie bekehrt. 
Nur dacht' er traurig, als um die Ech er bog: 
„Ihr armen Schelme, ihr stehlet — und ich log!“ 
Doch als er kam zum finstern Walde hinaus, 
es war verschwunden der Sünde ganzer Graus, 
da stand der Morgenhimmel in roter Glut, 
da ward dem frommen Wandrer froh zu Mut. 
„Dein Wille gescheh' im Himmel und auf der Erd'!“ 
So betet der Kant und giebt die Sporen dem Pferd. 
Gustav Schwab. 
248. Aus dem „Messias“. 
Erzählung der Magdale. 
Müde vor Angst der Freude, voll Schweiß die Stirne, die Wange 
bleich, mit bebenden Lippen, mit starrer lechzender Zunge 
trat Maria Magdale unter die Weinenden, strebte 
ihre Hände gen Himmel zu heben, sie sanken ihr nieder, 
und sie faltet sie fest. „Er ist erstanden! erstanden!“ 
Also ruft sie mit einer Stimme des freudigen Schreckens, 
die nicht Harfen der Seraphim, nicht ihr Gesang ausdrückte. 
Dunkel wird es um sie. Sie sucht nach Stützen. Johannes 
hält sie, sie lehnt sich an ihn. Als er zu reden vermochte, 
sprach Lebbäus: „So hast auch du die Engel gesehen?“ 
Sanfter schlug jetzt ihr Herz. Sie sprach mit himmlischem Lächeln:
	        
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