Full text: Lesebuch für katholische Volksschulen

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166. Dienertreue. 
Ein reicher Herr fuhr zur Winterzeit in einem Schlitten nach 
dem Städtchen Ostrowo in der Provinz Posen, nur von seinem 
Knechte Jakob begleitet, der dem Schlitten vorreiten mußte. Ehe 
sie die Stadt erreichten, mußten sie zuvor durch einen langen, ein¬ 
samen Wald, und es war bereits Abend. Der Knecht schlug daher 
dem Herrn vor, in einer Herberge, die am Eingänge des Waldes 
lag, zu übernachten; denn im Walde seien viele Wolfe, und die 
Untiere seien jetzt gar grimmig, weil der Winter so hart sei. Der 
Herr war aber einer von den wunderlichen, von denen, die einen 
guten Rat, wenn er von einem Knechte kommt, nicht annehmen 
mögen, fuhr ihn an und schrie, er werde wohl des Reitens über¬ 
drüssig sein; aber danach werde er nichts fragen; sie müßten 
noch nach Ostrowo, es möge gehen, wie es wolle. Und so ging's 
vorwärts, was die Pferde laufen konnten. Kaum aber sind sie 
eine Strecke im Walde, so hört der Herr hinter sich ein lautes 
Heulen, und wie er sich umkehrt, sieht er die Wölfe in Rudeln 
hinter dem Schlitten daherjagen und die vordersten schon ganz 
nahe. „Jakob, Jakob!" ruft er, „die Wölfe, die Wölfe!" Der 
treue Jakob erwidert kein Wort, sondern läßt ruhig den Herrn 
vorausfahren, reitet zwischen den Schlitten und die Wölfe, zieht 
seine Pistolen und schießt von Zeit zu Zeit unter sie. 
Damit erschreckt er eine Weile die Bestien; endlich aber hat 
er kein Pulver mehr; und als sie nun an den Schlitten heran¬ 
stürzen, sagt er: „Herr, ich muß meinen armen Braunen opfern 
und sehen, daß ich zu Euch auf den Schlitten komme, sonst ist 
alles verloren." — „Thu, wie du willst," sagte der Herr, und 
im Augenblick war Jakob vom Pferde und auf den Schlitten 
gesprungen, hielt sein Pferd am Zaume fest, bis die Wölfe heran¬ 
kamen; dann überließ er's ihnen zur Beute. Es schien, als sollten 
sie dadurch einen Vorsprung gewinnen, aber nicht lange, so war 
ein Teil der Wölfe wieder heulend hinter ihnen her, und einige 
schickten sich an, in den Schlitten zu springen, und der Edelmann 
gab sich nun verloren. Da sagte Jakob: „Herr, nun will 
ich in Gottes Namen auch noch das Letzte für Euch thun. Dort 
sind schon die Lichter von Ostrowo, und Ihr könnt das Städtlein 
erreichen, wenn ich nur auf ein paar Minuten die Bestien Euch 
vom Halse halte. Sorgt für mein Weib und für meine Kinder; 
lebt wohl und denkt manchmal an den armen Jakob!" Damit 
zog er den Säbel, sprang aus dem Schlitten und stürzte sich 
mitten unter die Wölfe. Diese stutzten, fielen ihn aber dann 
wütend an und übermannten ihn endlich; sein Herr aber war 
mittlerweile unversehrt entkommen. Schnell nahm er Leute zu 
sich und eilte in den Wald zurück; aber er fand nichts mehr als
	        
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