Full text: Lesebuch für Volksschulen

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mit einem Regenschirm herbeieilte, fragte er ihn: „Hast du schon jemals einen 
preußischen Prinzen unter einem Regenschirm gesehen? Mach das dumme Ding 
zu und troll dich!" Die Übung nahm dann trotz des Regens ihren Fortgang. 
Da es im preußischen Königshause üblich ist, daß jeder Prinz ein Handwerk 
erlernt, wählte er sich die Tischlerei und Buchbinderei. Noch heute zeigt man in 
dem früheren Schlafzimmer seines Vaters im Schlosse Babelsberg einen Holzschemel, 
den der Prinz eigenhändig angefertigt hat. In seinem 18. Jahre bezog er die 
Universität Bonn, später widmete er sich dem Militärdienste. 
2. Im Jahre 1858 vermählte sich der Prinz mit der Prinzessin Viktoria 
von England. Von den acht Kindern, welche dem erlauchten Paare geboren wurden, 
sind noch sechs am Leben: Wilhelm (unser jetziger Kaiser), Charlotte, Heinrich, 
Viktoria, Sophie und Margarethe. — 
Im Kreise seiner Familie fühlte sich Friedrich am wohlsten. Mit seinen' 
Kindern spielte er in der herzlichsten Weise. Eines Tages kam ein Bote ins 
Schloß, um Beiträge für die Herberge zur Heimat zu sammeln. Als er die Thür 
zum Zimmer des Kronprinzen öffnete, lag dieser gerade an der Erde und spielte 
mit seinen Kindern. Der ^Bote brachte sein Anliegen vor. Der Kronprinz aber 
machte eine abwehrende Handbewegung und sagte scherzend: „Ja, sehen Sie, meine 
Frau und meine Kinder, die wollen alle essen, da habe ich nichts übrig." Gleich 
darauf aber erhielt der Bote ein ansehnliches Geschenk. 
d. Im Felde. Krankheit und Tod. 
1. In den Kriegen gegen Östreich und Frankreich errang der damalige Kron¬ 
prinz als Führer einer Armee Sieg auf Sieg und erwarb sich den Titel „Feld¬ 
marschall". Als er in den Kampf zog, sagte er: „Ich bin stolz darauf, Gut und 
Blut einzusetzen für die heiligsten Güter des Vaterlandes." Sein Wahlsprnch war: 
„Furchtlos und beharrlich!" Die Soldaten hingen mit Liebe und Verehrung 
an ihm. Hatte er doch für jeden ein freundliches Wort, wenn er mit der Soldaten- 
Mütze und der kurzen Pfeife im Munde durch die Reihen seiner Krieger dahin¬ 
schritt. Und ane glänzten die Augen der Verwundeten vor Freude, wenn der 
Kronprinz ihnen freundlich die Hand reichte, sich nach ihren Wunden erkundigte 
und ihnen tröstende Worte sagte! Sie waren stolz auf ihren „Fritz", und er hielt 
es für eine Ehre, so brave Truppen zu kommandieren. Nach Jahren noch erkannte 
er Soldaten wieder, mit denen er im Felde persönlich in Berührung gekommen war. 
Einmal ging er in Berlin im sogenannten Kastanienwäldchen spazieren. Da 
begegnete ihm ein schlichter, mit der Kriegsdenkmünze von 1870—71 geschmückter 
Bürgersmann. Derselbe zog den Hut und rief ihm einen freundlichen „guten 
Morgen" entgegen. „Kennen Sie mich denn, lieber Mann?" fragte der Kronprinz 
den Fremden. Erfreut trat dieser näher und sagte: „Gewiß, Kaiserliche Hoheit! 
Wer sollte ,unsern Fritz^ nicht kennen." Der Kronprinz sah ihn scharf an und 
fuhr fort: „Ich kenne Sie auch. Haben Sie mir nicht bei Wörth, dort unter 
den drei Linden, in der Nähe eines kleinen Bauernhäuschens, eine Pfeife Tabak 
geschenkt?" „Das stimmt," sagte der Angeredete etwas verlegen. Der Kronprinz 
holte ein Goldstück hervor, überreichte es dem ehemaligen Soldaten und sagte: 
„Das ist für den Tabak!" 
2. Im Jahre 1887 stellte sich ein Halsleiden bei dem Kronprinzen ein, das 
keine Kunst der Ärzte zu beseitigen vermochte. Vergebens auch suchte er Heilung 
in der milden Luft Italiens. Hier traf ihn am 9. März die erschütternde Nach¬ 
sicht vom Tode seines Vaters. Sofort entschloß er sich zur Heimkehr. Den Ärzten, 
die ihn dringend davon abrieten, entgegnete er: „Und wenn ich unterwegs
	        
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