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Furchtbar war die Nacht. Weh- und Wuthgeheul der Deutschen durchhallte da?
römische Lager. Furchtbarer in seinem grässlichen Kampfe war der Tag, denn am
Abend desselben beschienen die Strahlender Sonne100,000t eutonis che Leichen;
der Rest des Volkes gerieth in Gefangenschaft, dazu der König Teutoboch, der
so groß und gewandt war, dass er über vier Pferde hinweg springen konnte. So
erzählen die Feinde. — Im folgenden Jahre hatten die Kimbern in den Gefilden
am Po dasselbe Schicksal. Es half ihnen nicht, dass sie mit Eisenketten in vor¬
derster Linie sich einander schlossen, den Durchbruch der Römer zu hindern.
Als die Männer gefallen waren, stürzten die Weiber mit Beilen aus der Wagen¬
burg den Feinden entgegen. So freiheitsliebend waren fie, dass sie ihren und
ihrer Kinder Tod der schmachvollen Gefangenschaft vorzogen.
Fünfzig Jahre später drang der in seiner Kriegskunst größte Römer, Cäsar,
der Stammvater des ersten römischen Kaisergeschlechtes, schon bis an den Rhein
und vernichtete mehr durch Arglist als durch Kunst der Waffen viele deutsche
Völkerschaften, oder machte sie den Römern Unterthan. Von nun an fochten
deutsche Männer in römischen Legionen und erfochten Cäsars Siege in fernen
Landen und Erdtheilen. Deutsche Fürstensöhne lernten in Rom römische Waffen¬
kunst, Sprache und Sitte. Wie gegen den Rhein drangen die Feinde auch bald
unter fürchterlichen Kämpfen, oft auf den höchsten Gebirgen über den Wolken des
Himmels, gegen die Donau vor und legten das Joch ihrer Einrichtungen auf die
unterworfenen deutschen Völkerschaften. .Als zuletzt um die Zeit der Geburt Christi
Drusus, der Stiefsohn des Kaisers Augustus, sogar bis zur Elbe vordrang,
und an der Weser schon römische Festungen drohten, schien es, als sollte das
deutsche Volk in dem Römerthume untergehen.
3. Hermann, der Befreier Deutschlands, und die Hermannsschlacht
im Teutoburger Walde im Jahre 9 nach Chr.
Wenige Jahre nach Christi Geburt waltete diesseit und jenseit des Rheines
als römischer Statthalter Quintil ius Varus Die Deutschen hassten ihn;
denn er nahm ihnen nicht blos Hab und Gut, sondern hatte sich auch vorgesetzt,
ihnen das alte gute Recht aus der Hand zu winden und die theure Sprache der
Väter zu verdrängen. Von allen Deutschen empfand keiner die Unterdrückung
mitgrößererScham und mit heißerem Grimme, alsein edlerCherusker-Jüng-
ling, Hermann. Er hatte sein deutsches Herz rein und unverderbt aus Rom
heimgebracht. Varus, von Stolz verblendet, hielt die Kraft der Deutschen schon
gebrochen und zog Hermann, der vermeintlich ganz römisch geworden, sogar in's
Vertrauen. Dieser ließ ihn beim Glauben, bis das Werk der Befreiung, das er
im Herzen trug, reif sei. Denn heimlich hatteer indefs die Besten seines Stammes,
die er treu und freiherzig erfunden, zusammenberufen und mit ihnen in stiller,
heiligerWaldeinsamkeitRath gepflogen. Viele Gauvölkerschaften schloffen mit den
Cheruskern eine Eidgenossenschaft auf Noth und Tod.
In seinem Sommerlager an der Weser saß Varus, als er die Kunde er¬
hielt, ein deutscher Stamm habe sich erhoben und alle Römer, die in seinen
Marken wohnten, erschlagen. Also war's verabredet worden zwischen den Eid¬
genossen; denn Hermann, die Seele des Bundes, hatte zuvor bedacht, dass Varus
in solchem Falle nicht säumen werde mit aller Macht in's Feld zu ziehen. Und
so kam es auch. Der Römer beschloff, ohne Verzug aufzubrechen und die Schul¬
digen zu vernichten. Beim Abschiedsmale im Lager waren Hermann und dessen
Schwiegervater Segest zu Gaste. Segest warnte noch einmal; doch Varus
glaubte ihm abermals nicht und gebot vielmehr dem Hermann, dass dieser den
Heerbann der Deutschen aufbiete und die Bundesgenossen schleunig den Römern
zuführe. Dann brach er stolzen Muthes mit drei erprobten Legionen auf und
zog in die Berge der Weser. Nun war die rechte Stunde da. Rasch bot Her¬
mann den Heerbann auf, und freudig hoben die Eidgenossen ihre Schwerter, die
Freiheit zu erkämpfen. Auf wohlbekannten kürzeren Wegen führte Hermann sie