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sicht auf ihre Tauglichkeit nach eigenem Ermessen zu treffen. Unser
Mann ging also hin zum Sklavenmarkte und sing an zu untersuchen.
Kaum hatte er indess seine Untersuchung begonnen, als seine
Augen auf einen alten, abgelebten Sklaven fielen, dessen Kauf er seinem
Herrn augenblicklich vorschlug. Dieser aber war über seine Wahl höch¬
lich erstaunt und protestirte dagegen. Der arme Mann bat ganz in¬
ständig, sein Herr möge doch zugeben, dass dieser mitgekaust würde.
Während er noch bat, erbot sich der Sklaven-Verkäufer, dass, wenn
sie zwanzig kaufen würden, er ihnen den alten Mann noch mit in den
Kauf geben wollte. Der Handel wurde demnach abgeschlossen, und
die Sklaven nach der Besitzung ihres neuen Herrn geführt. Keinem
jedoch widmete der Auswühler so viel Sorgfalt, als dem alten abge¬
lebten Afrikaner. Er nahm ihn mit nach seiner eigenen Wohnung,
legte ihn auf sein eigenes Bett, speiste ihn von seinem Tische und
tränkte ihn aus seinem Becher. Wenn es kalt war, trug er ihn in
die Sonne, und wenn es heiß war, in den Schatten des Kokosnuss-
Baumes. Erstaunt über die Sorgfalt, die sein vertrauter Sklave
dem Mitknechte widmete, äußerte der Herr ihm darüber seine Ver¬
wunderung. „Unmöglich", sagte er, „könntest du so viel Theil an dem
Ergehn des alten Mannes nehmen, wenn du nicht einen ganz be¬
sondern Grund dazu hättest; vermuthlich ist er dein Verwandter oder
wohl gar dein Vater?" — „Nein, Herr, nicht mein Vater!" ant¬
wortete der arme Gesell. — „Dann ist er dein älterer Bruder?"
„Nein, Herr, nicht mein Bruder!" „Nun denn dein Vetter oder sonst
irgend ein Verwandter von dir?" „Nein, Herr, er ist nichts von allem
dem, er ist nicht einmal mein Freund." „Nun denn in aller Welt,
was bewegt dich denn zu solcher Theilnahme für ihn?" — „Er ist
mein Feind, Herr, er verkaufte mich dem Sklavenhändler, und meine
Bibel sagt mir: Wenn deinen Feind hungert, so speise ihn, und wenn
ihn dürstet, so sollst du ihn tränken."
grelle da, lieber Leser! das Christenthum eines armen
schwarzen afrikanischen fcklaven! König-h. MpsionINatt.
117. Aus der Jugend Friedrieli Wilhelm’s III.
Als der König ein Knabe von 10 Jahren war, so erzählt
sein Kammerdiener und nachheriger geheimer Kämmerer Wolter,
und ich die Aufwartung bei ihm hatte, brachte eines Tages im
Monat Januar bei strenger Kälte ein Gärtnerbursche ein Körb¬
chen mit schönen reifen, im Treibhause gezogenen Kirschen.
Beim Anblicke derselben freute sich der junge Prinz und wünschte
die in dieser Jahreszeit seltene Frucht zu gemessen. Als ihm
aber bemerklich gemacht wurde, dass sie 5 Thaler kosten sollten,
fragte er verwundert: ,,Wie, für eine Hand voll Kirschen
5 Thaler?“ und drehte sich dann fest um mit den entschiedenen