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Kein Gericht wurde damals heimlich gehalten; die Rechtspflege
war öffentlich und mündlich; das ganze Volk selbst übte sie, indem
es aus seiner Mitte besondere Männer erwählte, welche das Urteil
fällten und das Recht wiesen, Geschworene, und einen Richter,
der die Ordnung hegte. Dieser saß unter Gottes freiem Himmel, am
hellen Tage, auf Bergeshöh oder unterm heiligen Baume. Als Be¬
weismittel galten Zeugenaussagen, und in Fällen, wo die Wahrheit
durch solche nicht ermittelt werden konnte, überließ man dem Himmel
die Entscheidung durch Gottesurteile: durch gerichtlichen Zwei¬
kampf, durch die Feuerprobe oder die Wasserprobe.
Bei solcher Verfassung erhielten sich lange die alten Sitten und
Tugenden, Treue und Redlichkeit, Gastfreundschaft und Keuschheit
und der feste Mut, der den Tod verachtet. Duller.
2. Die Cimbern und Teutonen.
1. Im Jahre 113 vor Christi Geburt ward in der Stadt Rom die
Kunde erzählt: in den steirischen Alpen steht ein Volk von Riesen und
schüttelt die Waffen; es sind ihrer Dreimalhunderttausend mit trotzigen
Augen, so blau wie der welsche Himmel. Cimbern heißen sie sich selber.
Weither von Mitternacht, wo es nie Frühling wird, sind sie gekommen;
dort hat das Meer ihr Land verschlungen, und jetzt gelüstet es sie nach
dem schönen Italien. Da war in Rom große Besorgnis, und in Eile
führte der Cónsul Papirius Carbo ein Heer gegen die Cimbern; er traf
sie im Alpenlande, im heutigen Steiermark. Sie ließen aber ihm durch
Gesandte sagen: „Wir sind nicht gekommen, um mit dir zu streiten; nach
dem Lande Gallien wollen wir ziehen, darum laß uns ehrlich Frieden
halten und gieb uns Wegweiser." Der Römer versprach's, doch gab er
ihnen falsche Führer und überfiel das fremde Volk in der Nacht, da es
schlief, denn er hielt's für das Sicherste, sie in den Alpen aufzureiben. Aber
die Cimbern sprangen auf, schrieen um Rache und erschlugen im Grimme
das ganze römische Heer bis auf wenige; dann zogen sie weiter, um sich
in Gallien niederzulassen. Die Römer schickten acht Jahre hinter einander
Heere, erlitten aber immer Niederlagen; ja zuletzt, an der Rhone, erschlugen
die mit den Cimbern verwandten Teutonen 80 000 Soldaten und 40000
Troßleute der Römer und ihrer Bundesgenossen; alle Verwundeten und
Gefangenen brachten sie um, und die ganze Beute warfen sie, als den
Göttern geweiht, in die Rhone; nur zehn Männer entrannen und brachten
die Schreckensbotschaft nach Rom. Da war großes Wehklagen und noch
größeres Entsetzen in ganz Welschland. Keiner mochte gegen die Deutschen
ins Feld ziehen, und jeder glaubte, das Ende der römischen Herrschaft sei
da. Die Sieger aber, anstatt in Welschland einzuziehen, zogen gen Spanien
und versäumten damit die rechte Zeit.
Denn während dieser Zeit war in Rom Casus Marius zum Feld¬
herrn gewählt worden, ein rauher Mann, aber ein Abgott der Soldaten.
Er hatte ein gewaltiges Heer gerüstet, zog eilends nach Gallien, und als