173
Da sind oft Fenster von dreierlei Grösse an ein und demselben Hause,
dabei Erkerchen und Türmchen mit den wunderlichsten Zieraten. Die
meisten dieser alten Nürnberger Häuser sind unten von Stein, in den
oberen Teilen von Holz und Fachwerk erbaut.
Doch wir treten in eins dieser mittelalterlichen Häuser. Die schwere
Thür öffnet sich mühsam, und wir gelangen in einen dunklen, grossen
Raum. Die ausgeschnitzte, breite Treppe führt zu einem Söller hinauf,
welcher das erste Stockwerk umfasst. Das steinerne Geländer ist, wie
bei den Söllern vor den Rittersälen alter Burgen, von gotischer Arbeit^
zierlich geschnitzte Säulen tragen die Decken. Gartenkübel mit Feigen¬
bäumchen und Lorbeersträuchen stehen auf dem Geländer, und umher¬
liegendes Spielzeug verrät, dass die Kinder des Hauses hier ihren vor¬
züglichsten Tummelplatz haben. Oft tritt aus der Mitte der Galerie noch
ein Erker weit hinaus, und ein Tisch in demselben, bedeckt mit weiblichen
Arbeiten, zeigt an, dass die Hausfrau als Zeugin bei den Spielen der
Kleinen hier waltet. Im Hofe plätschert in zierlicher Einfassung ein
Springbrunnen, und Arbeitsgerät hängt jetzt da, wo vormals die Waffen¬
rüstungen des Mannes ihren Platz hatten. Die Zimmer im Innern des
Hauses sind hoch und geräumig, dabei altertümlich ausgetäfelt, oder
wohl gar mit kunstreich gewirkten Tapeten behängen. Glasschränke
stehen an den Wänden und in ihnen kostbare Gefäfse von buntem Porzellan,
venetianisch feine Deckelgläser, Humpen und Becher mit Sinnsprüchen
und Familienwappen. In den grossen, glänzenden, gehöhnten Schränken
und den zierlich ausgelegten Kommoden liegt das weifse Linnen, während
die Küchen von spiegelblank geputztem Kupfer- und Messinggeschirr
funkeln. Kunstreich geschnitzte Tische und Stühle, welche mit dem
Äusseren des Hauses im Einklänge stehen, weisen auf jene frühere Zeit
zurück, wo hier ein reicher Kaufmann oder ein hochgebietender Ratsherr
Haus und Hof hielt.
Wir verlassen das altertümliche Haus, dergleichen es so viele giebt,
und gelangen durch das Gewirr sich kreuzender und windender Strassen
zu dem Hauptmarkte. Mit Bewunderung ruht hier unser Blick auf dem
„schönen Brunnen“, einem der herrlichsten Denkmäler aus Nürnbergs
Vergangenheit. Ein wunderbares Werk der Steinmetzarbeit, rankt er
sich frei und leicht in vier Absätzen zu einer Höhe von ungefähr neun¬
zehn Meter auf. In seiner Nähe befinden sich die Stände der Gärtner
und Landleute. Letztere sind ein kerniger Menschenschlag, dessen
malerische Tracht von der reinlichen und netten Kleidung der Nürnberger
Bürgertöchter angenehm absticht. Dort auf dem Trödel- und Fisch¬
markte ist es, wo der derbe Nürnberger Volkswitz noch in alter Weise
laut wird.
Auf unserm Weitergange besuchen wir die herrlichen Kirchen zu
St. Lorenz und zu St. Sebald. In letzterer befindet sich das prächtige
Grabmal St. Sebalds mit den zwölf Aposteln, das höchste Heiligtum
deutscher Kunst, das berühmteste Werk des Rotgiefsers Peter Vischer
und seiner Söhne. Weiter gehen wir zu dem Hause Albrecht Dürers,