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20. Straßburg.
Vor 200 Jahren ist diese ursprünglich deutsche Stadt französisch
geworden; seit dem Frieden haben wir sie wieder. Der berühmte Münster
ist ein Werk deutscher Kunst; der Erbauer Erwin war aus Steinbach,
einem Städtchen im Badischen. Sitten und Sprache sind noch jetzt bei
den mittleren und unteren Volksklassen Straßburgs deutsch.
Straßburg liegt im fruchtbaren Elsaß. So heißt der östliche Abhang
des Wasgaues, welcher den Rhein auf seiner linken Seite begleitet. Die
reiche, blühende Rheinebene ist bis Bingen, wo der Fluß vor langer
Zeit die Felsen durchbrach, wohl früher ein breiter See gewesen. Stra߬
burg liegt 72 Stunde vom Rheine, mit welchem sich hier zwei kleine
Flüsse vereinigen, die Breusch und die Jll.
Die Häuser der Stadt sind meist alt und hoch, von rothem Stein
erbaut, die Straßen eng und winkelig. Es gehen Kanäle, mit vielen
Brücken überbaut, in verschiedenen Richtungen durch die Stadt. Mau
zählt 90,000 Einwohner, 6 katholische und 8 protestantische Kirchen.
Unter den letztem ist die Thomaskirche berühmt. Darin ist nach dem
Münster die zweite Merkwürdigkeit der Stadt, nämlich das Denkmal des
Marschalls Moritz von Sachsen (er starb 1750). Man sieht eine große
Pyramide von weißgrauem Marmor, zu der mehrere Stufen hinanführen.
Auf der untersten Stufe steht ein Sarg. Der Marschall ist dargestellt,
als ob er im Begriffe wäre, die Stufen herab in seinen Sarg zu steigen.
Zu seiner Rechten sind die feindlichen Nationen in Thiergestalten dar¬
gestellt, wie sie vor ihm zurückweichen, links die siegreichen Fahnen
Frankreichs. Er blickt voll Ruhe zu dem Tode uieder. Dieser sieht mit
nacktem Schädel unter einem Leichentuche hervor und hält mit knöcherner
Hand dem Marschall die Sanduhr entgegen, zum Zeichen, daß seine Uhr
abgelaufen sei; mit der andern Hand öffnet er den Sarg, um den Krieger
aufzunehmen. Eine weibliche Figur, Frankreich vorstellend, wirft sich
dazwischen und will den Tod zurückstoßen. Alle Figuren sind in
Lebensgröße.
Auch Gutenberg, der Erfinder der Buchdruckerkunst, hat hier ein
Denkmal, das aber dem Monument in Mainz weit nachsteht. Die Stra߬
burger behaupten gegen die Mainzer, daß die Erfindung in ihrer Stadt
gemacht worden sei. Allerdings ist wahrscheinlich, daß Gutenberg hier
mit Holztafeln druckte, deren jede eine ganze Seite einnahm; die Kunst,
mit beweglichen Buchstaben zu drucken — die eigentliche Druckerkunst,
wie sie den meisten Vortheil gewährt — hat er erst später, und zwar
in Mainz, erfunden.
Der Straßburger Münster ist, wie erwähnt, von Erwin von Stein¬
bach erbaut. Die Sandsteine wurden aus dem Wasgau herbeigeschafft;
jeder, der freiwillig half, glaubte ein gutes Werk zu thun. So kam
mit Hilfe von 100,000 Menschen der Bau in 13 Jahren unter Dach.
Das Portal ist mit schönen bildlichen Darstellungen geschmückt. Die
Rose über dem Eingänge (ein zirkelrundes Fenster) ist von buntem Glase
und hat 16 w. im Durchmesser.
Das Eigenthümliche an einer solchen gothischen oder besser deutschen
Vaterland II. 0. q