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und ich thaten ein Gleiches. Mein Herz wurde so muthig, daß ich mich
oft nach meinem Zuhörer umschaute und ihm ganz dreist in das Gesicht
sah. Er sang mit großer Andacht, hatte die Hände gefaltet, und die
hellen Thränen fielen über den eisgrauen Knebelbart auf das Buch hinab.
Jetzt war das Lied beendet; ich ging auf ihn zu; er schüttelte mir treu¬
herzig die Hand und sprach: „Großen Dank, Herr Cantor! Wo ist der
Gotteskasten?" — Mein früherer Argwohn, daß es auf Plünderung ab¬
gesehen sei, war nun gänzlich verschwunden. Ich holte unsere Armen¬
büchse, und der Husar warf ein Achtgroschenstück hinein. „Wir beide
aber, wir theilen den Rest, Herr Schulmeister!" sagte er dann, indem
er noch zwei Achtgroschenstücke aus der Tasche zog, „da nehm Er das
eine für seine Mühe!" Ich schlug es aus; aber er war so ungestüm,
daß ich es schlechterdings nehmen mußte. „Nehm Er, nehm Er," sprach
er; „es klebt kein Blut daran!" — Jetzt verließ er das Gotteshaus,
und wir begleiteten ihn. Sowohl meine Frau, als ich, waren unglaublich
bewegt; ich konnte mich aber nicht enthalten, unsern wunderbaren Gast
auf dem Kirchhofe zu fragen, wie ihm denn der Gedanke gekommen sei,
hier seine Morgenandacht zu halten.
„Das will ich Euch wohl sagen, Ihr lieben Leute," antwortete er,
indem er uns beide bei der Hand nahm. „Gestern Abend sollte ein ver¬
lorener Posten ausgestellt werden, um mitten unter den herumschweifenden
Patrouillen den Feind aus einem gewissen Punkte zu beobachten. Jeder
von uns wußte, was die Sache auf sich hatte; —- wir sind seit einigen
Wochen brav daran gewesen. — Unser Rittmeister fragte nach Freiwilligen;
niemand bezeigte Lust. Endlich ritt ich vor, und meine drei Jungen
konnten ja wohl den alten Vater nicht allein lassen. — Er braucht es
nicht zu wissen, Herr Schulmeister, wie wir es anfingen; — genug, wir
schlichen uns durch und hielten die ganze Nacht auf einer buschigen An¬
höhe. Links und rechts blitzte es um uns her; wir sahen bald hier,
bald dort feindliche Mannschaften. Nicht meinetwegen — denn wie lange
werde ich noch reiten? — sondern nur wegen meiner Söhne seufzte ich
in der finstern Nacht: „Herr, erhalte uns!" — Kaum hatte ich das
heraus, als es anfing zu dämmern, und der Morgenstern mir in's Auge
blitzte. „Wie schön leuchtet der Morgenstern!" fiel mir in diesem Augen¬
blicke aus meiner Jugendzeit ein; gar manches, was ich seitdem gethan,
und — was wohl nicht allemal recht war, hing sich wie eine Bleilast
daran; ich rechnete nach, seit wie viel Jahren ich in keine Kirche ge¬
kommen, und ich that Gott das Gelübde, wenn ich diesmal davon käme,
wieder einmal eine Andacht zu halten. Das hab ich denn nun gethan,
und Er kann wohl denken, ob unr's zu Herzen ging, als wir sangen:
„Du Herr bist's, der mich diese Nacht durch seine Engel hat bewacht!"
Mit diesen Worten setzte er sich auf und ritt davon.
Ahlfeld.
5. Ter Schneider in Pensa.
Der Schneider in Pensa — was ist das für ein Männlein? Sechs
und zwanzig Gesellen ans dem Brett jahraus, jahrein, für halb Rußland