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Rittmeister zu Gaste. Die Eltern des letzteren wünschten dieses Mal
selbst, nicht an dem Tische zu erscheinen, weil sie sich verlegen suhlen
würden. Als man sich setzen wollte, fragte der General: „Aber
Kurzhagen, wo sind Ihre Eltern? Ich denke, sie essen mit Ihnen
an einem Tische." ^Der Rittmeister lächelte und wußte nicht sogleich
zu antworten. Da stand Zieten aus und holte die Eltern selbst her¬
bei; sie mußten sich rechts und links an seine Seite setzen, und er
unterhielt sich mit ihnen auss freundlichste. Als man anfing, Ge¬
sundheiten auszubringen, nahm er sein Glas, stand auf und sprach:
„Meine Herren, es gilt dem Wohlergehen dieser braven Eltern eines
' verdienstvollen Sohnes, der es beweist, daß ein dankbarer Sohn
mehr wert ist als ein hochmütiger Rittmeister!" —
Später fand der General Gelegenheit, dem Könige von der
kindlichen Achtung zu erzählen, welche der Rittmeister seinen Eltern
erwiesen, und Friedrich II. freute sich sehr darüber. Als Kurzhagen
einst nach Berlin kam, wurde er zur königlichen Tafel gezogen. „Hör'
Er, Rittmeister," fragte der König, um seine Gesinnung zu erforschen,
„von welchem Hause stammt Er denn eigentlich? Wer sind Seine
Eltern?" — „Ew. Majestät," antwortete Kurzhagen ohne Verlegen¬
heit, „ich stamme aus einer Bauernhütte, und meine Eltern sind
Bauersleute, mit denen ich das Glück teile, was ich Ew. Majestät
verdanke."
„So ist's recht," sagte der König erfreut; „wer seine Eltern
achtet, der ist ein ehrenwerter Mann; wer sie gering schützt, verdient
nicht geboren zu sein." —
Ehre Vater und Mutter, das ist das erste Gebot, das
Verheißung hat. v. Pustkuchen-Glanzow.
226. Martha und Maria.
1. „Siehe doch, da sitzt die Schwester
träumerisch in guter Ruh';
sag' ihr, Meister, liebster, bester,
daß sie auch das Ihre thu'!
2. Froh durcheil' ich Haus und
Garten,
bringe Wein und Brot und Obst,
teurer Gast, dir aufzuwarten,
daß du deine Wirtin lobst.
3. Aber mit verzückten Mienen
hört sie deiner Rede zu,
lässet mich alleine dienen:
Herr und Meister, richte du!" —
4. „Martha, Martha, viele Sorgen
machst du dir um deinen Gast,
spät am Abend, früh am Morgen
gönnst du dir nicht Ruh' und Rast.
5. Und ich danke deiner Mühe,
und ich lobe deinen Fleiß;
liebreich walten spät und frühe,
ist der Hausfrau Schmuck und Preis.
6. Doch — dein Tagewerk in
Ehren —
lebt der Mensch allein vom Brot?
j Brauchst du nichts, dein Herz zu
nähren?
Martha, Martha, Eins ist not!