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men und Kanälen, auch in Felsen gehauene Grabkammern mit Mumien
bezeugen uns, daß die alten Ägypter auf einer nicht unbedeutenden Stufe
der Bildung in Künsten und Fertigkeiten gestanden fein müssen, wie sie
denn auch in allerlei Wissenschaften wohl erfahren gewesen sind. (Apostel-
gesch. 7, 22.) Schon zu Abrahams Zeiten (2000 v. Chr.) waren sie
ein geordnetes Reich, ebenso zu Josephs Zeiten, als der Herr den Erzvater
Israel mit seiner Familie dorthin gewiesen hatte, und zur Zeit des Aus¬
zugs der Israeliten (um 1500). Die Macht dieses Reiches war so be¬
deutend und blendend, daß sich Israel und Juda immer wieder darauf ver¬
ließen und den Propheten Gottes nicht glauben wollten, es sei wie alle
bloß menschliche Macht nur ein leicht zerbrechlicher Rohrstab. (2 Kön.
18, 21.)
4. Dennoch sind die Ägypter in Beziehung auf das Höchste, nemlich
die Religion, Kinder geblieben, ja große Thoren gewesen. Die Vielgötterei,
welche schon vor Abrahams Zeit unter den damals bekannten Völkern die
Anbetung des einzigen wahren Gottes verdrängt hatte, herrschte auch in
Ägypten, und zwar in einer Gestalt, welche sogar den anderen ebenfalls
heidnischen Völkern unwürdig und lächerlicherschien. Die befruchtende Kraft
der Sonne nemlich verehrten sie unter dem Namen des Osiris, und die
Erde, welche als eine gütige Mutter Nahrung spendet, hielten sie für die
Gattin des Sonnengottes und beteten sie unter dem Namen Isis an. So
hielten sie aber auch alles Schädliche und Widrige für die Wirkung einer
bösen Gottheit (Typhon). Ähnliches finden wir auch bei den anderen heid¬
nischen Völkern. Aber das Besondere in der ägyptischen Religion war das,
daß jede ihrer Gottheiten ein besonderes Thier hatte, unter welchem man
sich diese Gottheit dachte, und welches darum ebenfalls göttliche Verehrung
genoß. Das Bild und Thier des feindseligen Gottes Typhon war das
Krokodil. In einer Stadt grub man kleine Teiche für diese furchtbaren
Thiere, fütterte sie und erwies ihnen göttliche Ehre. Die Gewalt dieses
Aberglaubens war so groß, daß Mütter dieser Stadt sich freuten und sich
geehrt glaubten, wenn ein Krokodil eines ihrer Kinder verschlang. Unter
der Gestalt einer Kuh wurde Isis verehrt, unter der eines Stieres Osiris,
und da außer den zwei Hauptgottheiten noch in den einzelnen Landschaften
besondere Götter verehrt und gleichfalls unter dem Bilde von Thieren ge¬
dacht wurden, so galten in Ägypten noch viele Thiere als göttlich, z. B.
Katzen, Hunde, Schlangen, Wölfe, Widder, Böcke, Löwen, Nilpferde, Spitz¬
mäuse, der Habicht, der Geier, der Adler und ganz besonders der Ibis,
** ein siorchartiger Sumpfvogel, der schädliche Amphibien und namentlich
schlangen wegfängt. Prachtvolle Tempel waren allenthalben für die Gott-
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