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61. Trau, schau, wem!
Oie Brücke kommt. Fritz, Fritz,
wie wird dir’s gehen!
Der Vater geht voran; doch Fritz hält
ihn geschwind.
„Ach, Vater“, spricht er, „seid kein
Kind
und glaubt, daß ich dergleichen Hund
gesehen;
denn kurz und gut, eh’ wir darüber
gehen:
der Hund war nur so groß, wie alle
Hund sind.“
Christian Fürchtegott Geliert.
61. Trau, schau, Wem!
/Cin Fuchs verkündete den Hühnern und Hähnen, die auf einem Baume saßen,
^ einen ewigen Frieden, der da wäre angestellt mit allen Tieren, also daß
fürderhin Wolf und Schaf, Fuchs und Hühner ewige Freundschaft und Bündnis
miteinander haben sollten. Damit hätte er gern die Hennen vom Baume ge¬
schwätzt. Aber der alte Hahn sagte: „Das hör’ ich gern!" und reckte dabei
den Kopf auf. Der Fuchs fragte: „Was siehst du?" Der Hahn anwortete:
„Ich sehe einen Jäger mit Hunden von ferne." Der Fuchs sprach: „Da bleib'
ich nicht." Antwortete der Hahn: „Harre, so wollen wir auch mit dir hinab,
wenn wir sehen, daß die Hunde mit dir Frieden haben." Der Fuchs sagte:
„Ei, er möchte ihnen noch nicht verkündigt sein; ich fahre dahin!"
Sebastian Frank.
62. Der kriegerische J{ase.
Ein Hase sprach: ,,’s ist wahrlich eine Schande,
dafj wir uns fürchten vor der Hunde Bande!
Bedenkt doch, Brüder, wie viel Hasen kommen
auf einen Hund! Drum ruf ich unbeklommen:
safjt uns vereint dem feind entgegenziehen!
Wenn er das mächt'ge Heer sieht, wird er fliehen;
und kommfs zum Kampf, dann vorwärts ohne Beben!
denn was ist ohne freiheit wert das Leben?"
Und alle riefen Beifall in der Runde.
Da bellten in dem nahen Dorf die Hunde.
Der kühne Redner spitzte flink die Ohren
und rief voll Hngst: ,,Weh uns, wir sind verloren!
flieht, Brüder, flieht! ein Schuft hat uns verraten;
ein andermal von unsern Heldentaten!"
Und ehe sich die andern noch besonnen,
war längst der Redner ihrem Blick entronnen.
Julius Sturm.