Full text: [Teil 1. Unterstufe] (Teil 1. Unterstufe)

68. Der Löwe und die Maus. 
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Nun begegnete ihm ein Fremder, der grüßte ihn freundlich und sprach 
ihn an: „Guter Freund, wo geht der Weg hinaus?" Weil aber der 
Michel die Spatzen auf dem Kopfe hatte, so dachte er: „Was geht dich 
der Fremde an!" ließ seinen Hut sitzen und gab gar keine Antwort. Der 
Fremde sagte zu sich selbst: „Hier müssen grobe Leute wohnen," und ließ 
den Michel weitergehen. 
Jetzt begegnete diesem der Amtmann. Den pflegten alle Leute zu 
grüßen. Der Michel tat es aber nicht: einmal, weil er Spatzen unter 
dem Hute hatte, und zweitens, weil er ein Grobian von Haus aus war. 
Der Amtmann aber sagte zu dein Gerichtsdiener mit dem roten Kragen, der 
hinter ihm herging: „Sieh doch einmal, ob dem Burschen dort der Hut 
angeleimt ist!" Der Gerichtsdiener ging hin und sprach: „Hör' einmal, 
Michel, der Herr Amtmann möchte einmal sehen, wie dein Hut inwendig aus¬ 
sieht. Flugs zieh ihn ab!" Der Michel aber zögerte immer noch und wußte 
nicht, wie er es machen sollte. Da riß der Gerichtsdiener den Hut 
herunter, und — brr! flogen die Spatzen heraus nach allen Ecken und Enden. 
Da mußte der Amtmann lachen, und alle Leute lachten mit. 
Der Michel aber hieß von der Stunde an der Spatzenmichel. Und 
wenn einer seinen Hut oder seine Kappe vor Fremden nicht abzieht, so 
sagt man noch heutigestages: „Der hat gewiß Spatzen unter dem 
Hüte." Wilhelm Curtmann. 
68. Der Löwe und die Maus. 
Ein Mäuschen lief über einen schlafenden Löwen. Dieser erwachte 
davon und ergriff es mit seinen gewaltigen Tatzen. „Verzeih’ mir“, 
flehte es, „meine Unvorsichtigkeit! Ich habe dich nicht stören wollen. 
Schenke mir mein Leben. Ich will mich stets dafür dankbar bezeigen.“ 
— „Wie könnte wohl ein Mäuschen einem Löwen Dank erweisen!“ 
sagte lächelnd der Löwe; doch schenkte er großmütig dem Tierchen 
Leben und Freiheit. Nur zu bald sollte er indes erfahren, daß auch 
die Gunst einer Maus nicht zu verachten sei. Er verwickelte sich im 
Laufen in die Stricke eines Jägernetzes, welches an einen Baumstamm 
festgebunden war, und da er sich ungeachtet aller Anstrengungen nicht 
los machen konnte, stieß er ein fürchterliches Gebrüll aus. Was hätte 
es ihm aber geholfen, wenn nicht das Mäuslein zum Glück es gehört 
hätte? Schnell eilte es seinem bedrängten Wohltäter zu Hilfe, durch- 
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