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mehr mit fröhlich den Städten entfliehenden Reisenden; Kranke und Ange¬
griffene eilten hoffnungsvoll in die Bäder, in die Berge, an die See.
Auch das alte Bad Ems hatte sich neu belebt durch zahlreichen Zuzug
aus allen Teilen der Erde. In dein waldigen, bergumschlossenen Thale,
wo die Lahn ihre klare Flut rheinwärts rollt, nmschwirrten die verschieden¬
sten Sprachen die warmsprudelnden Heilquellen, und vornehme Herren und
Damen ergingen sich in den daran grenzenden Anlagen.
Seit einigen Wochen ragte eine hohe und mächtige Gestalt um Hauptes¬
länge hervor: ein Greis mit silberweißem Haar und Bart, aber jugend¬
frisch noch in seinem Schritte und in seiner ganzen Erscheinung. Meist in
einfacher, schwarzer Kleidung erscheinend, verriet doch seine feste, stramme
Haltung auf den ersten Blick den Soldaten; ein schärferes Auge entdeckte
unter deni einfachen und leutseligen Wesen des alten Herrn den hochge¬
borenen Fürsten.
Es ist ein König, der alljährlich nach dem anstrengenden, arbeitsvollen
Winter in Ems einige Wochen sich Erholung gönnt, obgleich er auch hier
noch täglich stundenlang mit seinen Räten arbeitet. In dem warmen
Sprudel, welcher hier heilkräftig der Thalsole entquillt, will er sich erfrischen
und stärken zu neuer Arbeit. Die Bewohner des Städtchens, wie seine
regelmäßigen Besucher, freuen sich jedesmal über seine Ankunft; jedermann
hat ihn lieb wie einen alten Freund.
Vor allem ist er gern gesehen bei der Kinderwelt zu Ems. Wie denken
sich doch die Kleinen einen König so ganz anders, ehe sie einen echten und
wirklichen gesehen! Dieser trägt keine goldene Krone und keinen Purpur-
mantel, ja nicht einmal Scepter und Reichsapfel, wie fie's in den Bilder¬
büchern gesehen; er hat meist nur ein Stöckchen in der einen, eine Cigarre
in der andern Hand, gerade wie der Papa, und er trägt gewöhnlich einen
Hut und einen schwarzen Rock mit weißer Weste, gerade wie der Onkel; doch
wenn er auch im Militärrocke und mit der Soldatenmütze spazieren geht,
sieht er so freundlich und zutrauenerweckend aus, daß sich keines vor ihm
fürchtet. Und wenn eins ihm die Hand giebt, trotz Mamas Verbot, so schilt
er nicht, sondern lächelt und schüttelt das Händchen ganz herzlich.
So saßt sich denn einmal ein Einser Bub ein Herz, läuft plötzlich ans
den alten Herrn zu, umspannt seine Kniee und ruft: „Bist du wirklich der
König Wilhelm?" — „Ja, ich denke, kleiner Mann", lautet die Antwort;
„und wie heißt denn du, und was willst du werden?" — „Ich heiße auch
Wilhelm, und Soldat will ich werden", ruft der Kleine freudestrahlend,
„aber weißt du, König Wilhelm, einer von denen mit den roten Aufschlägen
und den weißen Federbüschen, damit ich auch meine Uniform brauchen
kann." „Gott segne dich, mein Junge", erwidert der König, „und wenn
du einmal groß wirst, dann sag' meinem Sohne Fritz, du wolltest unter die
Soldaten mit den roten Aufschlägen und weißen Federbüschen, der alte König
Wilhelm habe dir's erlaubt." Hub glücklich springt der Bursch davon,
um Mama ganz brühwarm die denkwürdige Begegnung zu berichten.
Die kleinen Mädchen von Ems haben natürlich nicht solche kriegerische
Wünsche und begegnen in ihrer angeborenen Schüchternheit ihm weniger