209. Die Völkerwanderung.
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auf ihnen. Wurzeln und rohes Fleisch waren ihre Speise.
Ihre schmutzigen Weiber und Kinder führten sie in Karren
mit sich. So zogen sie von Land zu Land, raubten, sengten,
mordeten und jagten die Völker vor sich her, wie ein
Wolf die Herde.
Zuerst stiefsen sie auf die Gothen, die sich von
der Ostsee bis zur Donau und gegen das schwarze Meer hin
ausgebreitet hatten. Dieselben theilten sich in Ost- und
Westgothen, hatten eine geordnete Verfassung, standen
unter berühmten Königen und waren schon frühzeitig mit
dem Christenthume bekannt geworden; ja sie besassen seit
dem 4. Jahrhunderte durch ihren Bischof Ulphilas sogar
eine Bibelübersetzung, die als das älteste deutsche Schrift¬
werk in einigen Abschnitten noch vorhanden ist.
Als die Hunnen heranstürmten, drängten die Ost¬
gothen, die dem feindlichen Angriffe zuerst ausgesetzt
waren, ihre Stammesbrüder, die Westgothen, auf das rechte
Ufer der Donau, wo diese von dem römischen Kaiser zu
Konstantinopel im heutigen Serbien und Bulgarien Wohn¬
sitze angewiesen erhielten. Später durchzogen sie unter
ihrem Könige Alarich plündernd das schöne Italien und
liessen sich, nachdem Alarich in Unteritalien unerwartet
gestorben war, in Spanien und dem südlichen Theile
Frankreichs nieder.
Auch andere deutsche Völkerstämme drangen zer¬
störend in Italien ein, das so manches Jahrhundert die
ganze gebildete Welt beherrscht hatte. Odoaker, ein
deutscher Heerfürst und zugleich kaiserlicher Feldherr,
bemächtigte sich der Herrschaft und setzte den römischen
Kaiser Komulus Augustulus ah (476 n. Chr.).
Indessen hatten auch andere deutsche Völker ihre
Wohnsitze geändert. Die Franken waren vom Nieder¬
rheine in das nördliche Gallien eingedrungen und theil-
weise mainaufwärts gezogen. Die Burgunder bewohn¬
ten die Gegenden um den Rhonefluss. Die Angeln
waren vom Ufer der Nordsee nach Britannien gezogen,
das von ihnen England (Angelnland) heisst. Die Longo-
barden setzten sich in Oberitalien fest (daher die
Lombardei genannt). Die Hauptvölker in Deutschland
waren nun die Alemannen und Bayern in Ober¬
deutschland, die Sachsen in Nieder-, und die Ost¬
franken in Mitteldeutschland.