Full text: Preußischer Kinderfreund

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welche andere Thiere fangen und fressen, haben sechs und mehr spitzige 
Vorderzähne, dann Eckzähne auf beiden Seiten und hinter diesen 
zahlreiche Stockzähne. Wenn ihr nun das Gebiss eines Maulwurfs 
betrachtet, so werdet ihr finden, er hat in der obern Kinnlade sechs 
und % der untern acht spitzige Vorderzähne und hinter denselben Eck- 
zähne auf allen vier Seiten und daraus folgt: Er ist kein Thier, 
das an Pflanzen nagt, sondern ein kleines Raubthier, das andere 
Thiere frisst. - 
Zweitens, wenn ihr einem getödteten Maulwurfe den Bauch auf¬ 
schneidet und in den Magen schaut. Denn was er frisst, muss er im 
Magen haben. Nun werdet ihr, wenn ihr die Probe machen wollt, 
ine Wurzelfasern oder so etwas in dem Magen des Maulwurfes fin¬ 
den, aber immer die Häute von Engerlingen, Regenwürmern und an- 
derm Ungeziefer, das unter der Erde lebt. 
Wie sieht's jetzt aus? 
Wenn ihr also den Maulwurf recht fleißig verfolgt, so thut ihn 
euch selbst den größten Schaden und den Engerlingen den größten 
Gefallen. Da können sie alsdann ohne Gefahr eure Wiesen und 
Felder verwüsten, wachsen und gedeihen, und im Frühjahre kommt 
alsdann der Maikäfer, "frisst euch die Bäume kahl wie Besenreis, und 
bringt euch zr - Vergeltung auch des Kuckuks Dank und Lohn. 
So sieht's aus. Hebel. 
194. Liebet eure Feinde. 
In einem Walde des westlichen Russland's lebte noch vor kurzer 
Zeit ein wackerer Förster mit seinem jungen Weibe, zweien holden 
Kindern und einigen Jägerburschen in glücklicher Abgeschiedenheit. 
Auch zu ihnen war indess schon die Kunde von den traurigen Ver¬ 
heerungen gekommen, welche die Cholera in den östlichen Theilen des 
Pandes anrichtete, und wie sie immer nach^Westen vordränge. Schon 
hatte desshalb der Förster in de- nächsten Stadt sich Verhaltungsregeln 
geben lassen, auch einige Arzneien eingekauft, als eines Nachmittags 
ein Jägerbursche die Botschaft bringt, dass in dem nächsten, eine Meile 
entfernten Dorfe die Cholera in ihrer ganzen Furchtbarkeit ausgebrochen, 
und bereits eine Menge Bewohner der Krankheit erlegen sei. Schnell be¬ 
schließt nun der kleine Familienrath, jede Verbindung mit dem angesteckten 
Dorfe auf's strengste zu meiden, und auf die Annäherung jedes Fremden 
ein wachsames Auge zu haben. So kommt der Abend. Die Mutter bettet 
ihre Kleinen zur nächtlichen Ruhe und rückt sich einen Sessel an die Seite 
des Gatten, um am knisternden Knminfeuer mit ihm noch manche häus¬ 
liche Sorge zu besprechen. Da schlagen die Hunde an, und der eintretende 
Jäger meldet: „Draußen ist der Müller aus dem benachbarten Dorfe; er 
fliehe, so spricht er, vor der grässlichen Seuche und bitte um schützendes 
-Obdach. Bleich und verstört sieht er aus, ganz unheimlich wird mir in
	        
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