Full text: Preußischer Kinderfreund

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franst es unter ihnen: siehe! der vermeinte Baum ist eine Riesenschlange, die sich 
unter ihnen fortbewegt. Der fürchterlichste Schrecken ergreift die Gesellschaft, und 
Alles flieht vor dem Unthicre mit wüstem Geschrei. So groß ist die größte unter 
den Schlangen, dass man sie für einen Stamm halten kann, der wenigstens 20 
bis 30 Fuß lang und anderthalb dick ist. Zwischen diesem Riesen und jenem 
Zwerge unter den Schlangen liegen nun alle anderen Arten in der Mitte, doch 
so, dass nur wenige die Länge von 10 bis 12 Fuß erreichen, und nur die einzige 
Riesenschlange, wie etwa der Elephant unter Land- und der Wallfisch 
unter den Seethieren, die übermäßige Größe von 20 bis 30 Fuß zuweilen, ob¬ 
gleich sehr selten, noch übertrifft. 
Aber du wirst dich, lieber Freund, wundern, dass die Schlange anfangs so 
geduldig sich zum Seffel gebrauchen ließ. Hast du dir vielleicht schon einmal dm 
Magen'überfüllt? Dann hast du sicher gleich nach dem Esten eine Unbehaglichkeit 
verspürt, die dich unfähig machte, sogleich etwas Vernünftiges mit deinem Ver¬ 
stände vorzunehmen; und selbst dein Köicher war nicht so zum Springen und 
Hüpfen aufgelegt, als vor Tische. In einem ähnlichen Zustande, nur in weit 
höherm Grade, musste die Schlange gewesen sein. Die Kinnladen aller Schlan¬ 
gen öffnen sich so außerordentlich weit, dass sie mit Leichtigkeit weit dickere Thiere, 
als sie selbst sind, verschlingen können. Die Ringelnatter, die kaum einen 
Zoll im Durchmesser hat, verschlingt Kröten und Frösche, die ihr dann wie 
dicke Knäuel im Magen liegen. Die Riesenschlange, die bekanntlich durch ihre 
große Muskelkraft den Schafen, Ziegen, Gazellen, ja selbst den Ochsen 
die Knochen im Leibe zerknacken kann, indem sie sie umschlingt, schluckt diese 
Thiere ganz hinunter, ohne sie zu kauen, obgleich ihre Zähne so groß wie die 
eines ordentlichen Hühnerhundes sind. Keine Schlange zerkaut ihre Speise; die 
Zähne scheinen ihr nur zum Festhalten ihrer Beute zu dienen. 
Aber was für ein Magen gehört nun wohl dazu, um ein nicht gekautes 
Rind mit Haut, Haaren und Knochen zu verdauen? Die Wände des Magens 
mögen noch so hart, und der Magensaft zur Verdauung noch so scharf sein: auf 
jeden Fall gehört eine große Anstrengung der innern Theile des Thieres dazu; kein 
Wunder, dass es von Außen in eine Art von Starrsucht verfällt und ruhig da 
liegt, wenn der ganze Leib von der Nahrung aufgeschwellt ist. Begibt sich nicht 
sogar der Tiger zur Ruhe, wenn das Verdauungsgeschäft nach einer tüchtigen 
Mahlzeit in ihm anfängt, und kauert sich der gefräßige Geier nicht auch in 
einen unförmlichen Federklumpen zusammen, wenn er sich vollgestopft hat? Er 
sitzt dann da, ohne zu sehen und zu hören, steckt seinen Kopf ganz in die Schul¬ 
tern zurück, so dass alle nackten Theile seines Halses verschwinden, und lässt die 
Flügel hängen, so dass sie ihm die Beine verbergen; alle seine Federn starren 
dann nur so von ihm weg. 
Aber nicht die Größe und diese Starrsucht allein machen die Schlangen 
merkwürdig. Ihr ganzer Körper ist wunderbar eingerichtet. Es erstaunt wohl 
jeder, wenn er von den großen Schlangen hört, dass man sie leicht mit einem 
einzigen Schlage auf den Kopf todten kann. Aber Nichts ist begreiflicher; die 
Hirnschale der Schlangen ist wie ein Dreieck gestaltet, dessen Spitze nach hintenzu 
liegt; sie bedeckt das Gehirn des Hinterkopfes nicht, und durch einen einzigen 
leichten Hieb mit einem Stocke ist es verletzt, und die Schlange todt. Ihr Ske¬ 
lett ist das einfachste, das sich denken lästt; eine Rückenwirbelsäule (ein Rückgrath) 
mit Rippen ohne alle Knochen für Flügel, Beine oder Arme; und doch bewegt 
sich das Thier ohne alle Glieder so schnell wie ein Pfeil. 
, Ja, es schwimmt auch und lebt gern im Wasser. Oft setzen die Schlangen 
von einer Insel zur andern über und wandern z. B. inWestindien von einem 
Meerbusen in den andern. Ihre Lunge ist ganz zum Untertauchen gemacht; bei 
den meisten Schlangen nimmt sie die Hälfte des Körpers ein, bei manchen zwei 
Drittheile, und liegt mit den übrigen Eingeweiden in derselben Höhle, lässt aber 
die Luft nicht durchgehen. Mit einem Athemzuge füllt die Schlange die ganze 
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