Full text: Preußischer Kinderfreund

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was nicht geht, das geht nicht; und wofür bin ich ein Christ, wenn 
ich keinen Sonntag habe?" 
Dem Meister kam das wunderlich vor, und er hatte schon ein 
Wort von Narrenspossen und dergleichen auf der Zunge. Wie er 
aber dem ehrlichen Gesellen ins Gesicht sah, besann er sich und sagte: 
„Nun meinethalben geh in die Kirche, so viel du willst. Aber eins 
beding' ich mir aus: Wenn viel zu thun ist, musst du auch am 
Sonntag auf dem Platze sein". — Wer war froher als unser Gesell! 
Am nächsten Sonntag zieht er seinen blauen Rock an, nimmt das 
Gesangbuch unter den Arm und geht in die Kirche. Solch einem 
schönen Tag hatte er lange nicht gehabt; ihn hat die Predigt und der 
Gesang ganz aufgeweckt, und unser Grobschmied war so munter wie 
ein Vogel. Nun vergeht die Woche; und wie der Sonnabend kommt, 
sagt der Meister: „Gesell, es ist viel zu thun; morgen musst du in 
der Werkstatt sein". — „Gut", sagt der Gesell, „wenn's nicht anders 
sein kann." — Den nächsten Sonnabend sagt der Meister wiederum: 
„Es ist viel zu thun", und so auch den dritten. 
Als aber nach dem dritten Sonntag der Gesell den Wochenlohn 
bekam, fünf Thaler und fünfundzwanzig Silbergroschen, wie's ihm 
zukam: da spricht er: „Das ist zu viel"! und schiebt die fünfund¬ 
zwanzig Silbergroschen zurück. „Warum"? sagt der Meister, „es ist 
für die sieben Tage". — Aber der Gesell spricht: „Nein; ich hab's 
mir bedacht, und für den Sonntag nehme ich kein Geld mehr; denn 
der Sonntag ist nicht zum Geldverdienen, und wenn ich am Sonntag 
arbeite, so geschieht's euch zu Liebe, und Geld will ich nicht". Da 
sah der Meister den Gesellen groß an; und seit dem Tage war die 
Schmiede jeden Sonntag verschlossen, und kein Hammer noch Blase¬ 
balg mehr zu hören. — Merke: Man soll unserm Herrgott nicht sein 
drittes Gebot aus dem Katechismus stehlen; und wer in die Kirche 
will, der findet den Weg schon. 
Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. 
74. Feuriges Wasser. 
Was nicht dein ist, Kind, das rühr’ nicht an, denn es 
brennt, und einmal hat es einem Knaben sogar das Herz ab¬ 
gebrannt, weil er demselben sein unrechtmässiges Verlangen 
stets allzudienstfertig gestillt hat. Der nahm, wie eine Elster, 
Alles, was ihm gefiel, heimlich hinweg, obgleich er wusste, dass 
es eine Sünde ist, die einem in manchem Lande das Quartier 
in der Luft zwischen Erde und Himmel anweis t, oder wenig¬ 
stens ein feurig Mal auf den Kücken brennt, dass, wenn er 
das Wamms auszieht, alle Welt lesen kann, wess Geistes Kind 
der Gebrannte ist. Diesmal aber hat das kalte Wasser die 
Eeuerstelle vertreten und jenem Jungen ein Mal auf die Brust
	        
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