404
2. Hirt (auf dem Berge):
Ihr Matten, lebt wohl, ihr sonnigen Weiden!
Der Senne muß scheiden, der Sommer ist hin.
Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder,
wenn der Kuckuck ruft, wenn erwachen die Lieder,
wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu,
wenn die Brünnlein fließen im lieblichen Mai.
Ihr Matten, lebt wohl, ihr sonnigen Weiden!
Der Senne muß scheiden, der Sommer ist hin.
3. Alpenjäger (auf einem Felsen):
Es donnern die Höhen, es zittert der Steg;
nicht grauet dem Schützen auf schwindligem Weg.
Er schreitet verwegen auf Feldern von Eis,
da pranget kein Frühling, da grünet kein Reis,
und unter den Füßen ein nebliges Meer,
erkennt er die Städte der Menschen nicht mehr;
durch den Riß nur der Wolken erblickt er die Welt,
tief unter den Wassern das grünende Feld.
Friedrich Schiller.
316. Der Hund vom St. Bernhard.
1. Wer von der Schweiz nach Italien reist und die durch den
St. Gotthard führende Eisenbahn nicht benützen will oder nicht be—
nützen kann, muß seinen Weg über die Alpen nehmen. Die einzige
gangbare, aber grauenvolle Straße für den, der aus dem westlichen
Walliserland hinüber nach Italien zu wandern hat, führt über den
hohen, mit Schnee bedeckten St. Bernhardspaß. War auch unten
im Tal das Wetter noch so günstig, lachte die Sonne auch noch so
freundlich: da oben ist auf keinen Bestand zu hoffen. Plötzlich bricht
der Sturm los und verweht jeden Pfad, den der menschliche Fuß
bahnte. Schneelawinen wälzen sich donnernd daher, reißen alles mit
sich nieder und bedecken wie ein furchtbares, weißes Leichentuch Leben—
diges und Lebloses, was ihnen im Wege ist. Schon mancher Rei⸗
sende, der jene Pfade wandelte, sah die Seinen zu Hause nie wieder,
sondern fand dort oben sein Grab.
2. Da haben zur Verminderung des Elends nahe an der Straße,