Full text: Neue Rechtschreibung (Teil 2)

217 
2. Hoch auf dem Giebel schwatzt der Staar; am Simse 
nistet ein Schwalbenpaar; Rotschwänzchen finden überall Raum, 
und Finken schlagen im Apfelbaum. 
3. Doch wenn das Laub von den Bäumen fällt, dann flüchtet 
die Schar in die weite Welt; ein Weilchen steht mein Garten 
leer; da kommt von Gästen ein neues Heer. 
4. Es gaukelt und schaukelt in lustiger Hast die kleine 
Meise am schwankenden Ast, und Spechte laden sich ein zum 
Schmaus und klopfen den Bäumen die Rinde aus. 
5. Und fängt es endlich an zu schnei'n, dann kommt ein 
winziges Königlein; das kümmert sich nicht um Eis und Schnee, 
dem tun auch Sturm und Frost nicht weh'. 
6. Das ist ein frisches Sängerblut und wahrt sich immer 
den frohen Mut und schlüpft durch die Hecken und singt so klar, 
als wär es Frühling das ganze Jahr. 
212. Was die Kröte erzählt. 
Bruno Meyer. 
1. Dicht am Pfarrgarten auf dem kleinen Gemüseacker bin 
ich aufgewachsen und alt geworden. Bei lichtem Tage ruhte ich 
in der schattigen Zaunecke, tief im modrigen Laubdünger; die 
ganze Nacht aber streifte ich längs der Beete und vertilgte 
Schnecken, Raupen und vielartiges Insektenvolk. Dem Menschen 
sind sie eine Plage und ein Ärgernis; unserm kräftigen Magen 
aber bieten sie gute Nahrung, und wir vertilgen sie ohne Zahl. 
So hielt ich den kleinen Acker frei von diesen Schmarotzern und 
gedieh bei reicher Nahrung; der Besitzer aber hatte seine Freude 
am reichen Ertrage seiner Kohl- und Salatbeete. 
2. Nie hatte man bisher mich in meinem Schlupfwinkel 
aufgestört; doch eines Tages räumten die jungen Knechte mit 
dem Sohne des Besitzers den schützenden Dünger am Zaune hin— 
weg, und plötzlich ward's über mir tageshell. „Hurra, eine 
Krötel!“ rief der erste. „Rührt sie nicht an, die ist giftig!“ rief 
der zweite aufgeregt. „Das gibt einen Spaß; laßt mich nur 
machen!“ meinte der älteste der Knechte. „Merkt auf!“ fuhr er 
fort, indem er leise den Spaten unter mich schob, „jetzt lehre ich 
sie fllegen, dann macht sie „quak“, und wir sind das Scheusal
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.