Langes Leben, große Sünde; große Sünde, schwerer Tod! — Denk' an den
Tod! — Die Seelen rosten. Kirchhofserde ist gute Neiberde. — Wer da stirbt,
eh' er stirbt, der stirbt nicht, wenn er stirbt. — Der Tod ist gewiß, ungewiß der
Tag: darum sich jeder bereiten mag. — Das Weltkind spricht: „Ich lebe und
weiß nicht, wie laug'; ich sterbe und weiß nicht, wann; ich fahre und weiß nicht,
wohin: mich wundert's, daß ich so fröhlich bin." Dagegen der Christ: „Ich
lebe und weiß wohl, wie lang'; ich sterbe und weiß wohl, wann; ich fahre und
weiß wohl, wohin: mich wundert's, daß ich noch traurig bin."
1. Dort unten in der Mühle
saß ich in süßer Ruh',
und sah dem Näderspiele
und sah den Wassern zu.
2. Sah zu der blanken Säge,
es war mir wie ein Traum,
die bahnte lange Wege
in einen Tannenbaum.
3. Die Tanne war wie lebend,
in Trauermelodie;
durch alle Fasern bebend,
sang diese Worte sie:
Du kehrst zur rechten Stunde,
o Wanderer, hier ein,
du bist's, für den die Wunde
mir dringt inö Herz hinein.
5. Du bist's, für den wird werden,
wenn kurz gewandert du,
dies Holz im Schooß der Erden
ein Schrein zur langen Ruh'."
6. Vier Bretter sah ich fallen,
mir ward's ums Herze schwer,
ein Wörtlcitt wollt' ich lallen,
da ging das Rad nicht mehr.
196. Der Wanderer in der Sägemühle.
4.
197. Der Friedhof.
1. Da liegst du still in deinem Frieden, 3. Noch steh' ich vor des Lebens Mitte,
du Land, wo jedem Lebensgast und vor mir liegt die weite Bahn,
der Herr der Liebe hat beschieden noch geht zum Herren meine Bitte
die letzte süße Wanderrast; um Frist, bis ich mein Werk gethan.
2. wo aus dem Grab die Blumen sprießen, 4. Noch ist das Leben mir ein Segen,
die frommer Treue Hand gepflegt, noch trag' ich seine Lasten gern,
wo sanft der Liebe Thränen fließen, noch treibt das Herz mit lauten Schlägen
die ein Gebet zum Himmel trägt. mich in den Kampf für meinen Herrn.
5. Doch wenn mir einst die Kräfte schwinden,
ich krank und wund und todesmatt,
dann bitt' ich: Vater, laß mich finden
dort oben eine Ruhestatt.
196. Was der Kirchhof predigt.
Psalm 90, 12. Lehre uns bedenken, daß
wir sterben müssen, auf daß wir k!ug werden.
Am Ruheplatz der Todte» ist es stille. Hier hört rnau nichts vom
Treiben der Straße, nichts vom Gehämmer der Mühle, nichts vom fröhlichen
Jauchzen spielender Kinder. Aber dennoch, wenn wir an einem theuren Grabe
sitzen und eine Thräne hinabfällt in die duftenden Blüten zu unsern Füßen, da
hören wir zuweilen in deut leisen Geflüster der Hängebirke oder der Trauer¬
weide Klänge, die unserem Herzen immer vernehmlicher werden, je andächtiger wir
lauschen. Da sagt eine leise, klagende Stimme: