Full text: Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands

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80. Die beiden Hunde. 
Ein Junker hielt sich ein Paar Hunde; 
es war ein Pudel und sein Sohn. 
Der junge, Namens Pantalon, 
vertrieb dem Herrchen manche Stunde. 
Er konnte tanzen, Wache stehn, 
den Schubkarrn zieh«, ins Wasser gehn, 
und alles dieses aus dem Grunde. 
Der schlaue Fritz, des Jägers Kind, 
war Lehrer unsers Hunds gewesen, 
und dieser lernte so geschwind, 
als mancher Knabe kaum das Lesen. 
Einst siel dem kleinen Junker ein, 
es müßte noch viel leichter sein, 
den alten Hund gelehrt zu machen. — 
Herr Schnurr war sonst ein. gutes Vieh, 
doch seine Herrschaft zog ihn nie 
zu solchen hochstudierten Sachen; 
er konnte bloß daS Haus bewachen. 
Der Knabe nimmt ihn vor die Hand 
und stellt ihn aufrecht an die Wand; 
allein der Hund fällt immer Wieder¬ 
aus seine Vorderfüßc nieder. 
Man rufet den Professor Fritz. 
Auch der erschöpfet seinen Witz. 
Umsonst! Es will ihm nicht gelingen, 
den alten Schüler zu bezwingen. 
„Vielleicht," sprach Fritze, „hilft der Stock." 
Er holt den Stock, man prügelt Schnurren; 
noch bleibt er steifer als ein Bock, 
und endlich fängt er an zu murren. 
„Was wollt ihr?" sprach der arme Tropf; 
„ ihr werdet meinen grauen Kopf 
doch nimmermehr zum Doctor schlagen. 
Geht, werdet durch mein Beispiel klug, 
ihr Kinder, lernet jetzt genug, 
ihr lernt nichts mehr in alten Tagen." 
31. Till Eulenspiegel. 
Till Eulenspiegel zog einmal 
mit andern über Berg und Thal. 
So oft als sie zu einem Berge kamen, 
ging Till an seinem Wanderstab 
den Berg ganz sacht und ganz betrübt hinab; 
allein wenn sie berganwärtö stiegen, 
war Eulenspiegel voll Vergnügen. 
„Warum," fing einer an, „gehst du bergan 
so froh, 
bergunter so betrübt?" „Ich bin," sprach 
Till, „nun so. 
Wenn ich den Berg hinunter gehe, 
so denk' ich Narr schon an die Höhe, 
die folgen wird, und da vergeht mir denn 
der Scherz; 
allein wenn ich bcrganwärts gehe, 
so denk' ich an das Thal, das folgt, und fass' 
ein Herz." 
32. Johann, der Seifensieder. 
Johann, der muntre Seifensieder, 
erlernte viele schöne Lieder, 
und sang mit unbesorgtem Sinn 
voni Morgen bis zum Abend hin; 
früh, mit den Lerchen in die Wette, 
spät, schon mit einem Fuß im Bette; 
und wenn er saug, so war's mit Lust, 
aus vollem Hals und freier Brust- 
Man horcht, man fragt: „Wer singt schon 
wieder? 
Wer ist's?" Der muntre Seifensieder. 
Eö wohnte diesem in der Nähe 
ein Sprößling eigennütz'ger Ehe, 
der, reich und stolz und lächerlich, 
im Schmause keinem Fürsten wich, 
ein Mann, der manche schöne Nacht 
beim Mahl, bei Spiel und Wein durchwacht. 
Kaum hatte mit den Morgenstunden 
sein erster Schlaf sich eingefnnden, 
so ließ ihm den Genuß der Ruh' 
Johann, der Säuger, nimmer zu. 
„Zum Henker! lärmst du denn schon 
wieder, 
vermaledeiter Seifensieder? 
Ach, wäre doch zu meinem Heil 
der Schlaf hier wie die Austern feil!" -- 
Den Sänger, den er früh vernommen, 
läßt er am andern Morgen kommen 
und spricht: „Mein lustiger Johann, 
wie geht eö Euch? Wie fangt Jhr's an? 
Es rühmt ein jeder Eure Waare; 
sagt, wieviel bringt sie Euch im Jahre?" 
„Im.Jahre? Herr, mir fällt nicht bei, 
wie groß im Jahr mein Vortheil sei; 
so rechn' ich nicht! Ein Tag beschert, 
was der, so auf ihn folgt, verzehrt. 
Dies kommt im Jahr (ich weiß die Zahl) 
dreihundert fünfundsechzig Mal." 
„Ganz recht! doch könnt Ihr mir nicht 
sagen, 
was wohl ein Tag pflegt einzutragen?" 
„Mein Herr, Ihr forschet allzusehr: 
der eine wenig, mancher mehr; 
so wie 's denn fällt; mich zwingt zur Klage 
nichts als die vielen Feiertage. 
Ja, wer sie alle roth gefärbt, 
der hatte wohl, wie Ihr, geerbt; 
dem war die Arbeit wohl zuwider, 
der war gewiß lein Seifensieder." 
Dies schien den Reichen zu erfreun. 
„Hans," spricht er, „du sollst glücklich sein!' 
Jetzt bist du nur ein schlechter Prahler,
	        
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