Full text: Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands

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da hast du baare fünfzig Thaler! 
Nur unterlass' mir den Gesang, 
das Geld hat einen bessern Klang." 
Er dankt und schleicht mit scheuem Blicke, 
mit mehr als Diebesfurcht, zurücke, 
hält seinen Beutel dicht umfaßt, 
und herzt und wägt die schöne Last. 
Dann wird, sobald er heimgekommen, 
deS Beutels Inhalt vorgenommen, 
gezählt, mit stummer Lust beschaut, 
und einem Kasten anvertraut, 
den, allen Dieben Trotz zu bieten, 
ein dreifach Schloß und Bänder hüten, 
und den der karge Thor bei Nacht 
mit banger Vorsicht selbst bewacht. 
Sobald sich nur der Haushund reget, 
sobald der Kater sich beweget, 
durchsucht er alles, weil er glaubt, 
daß ihn ein schlauer Dieb beraubt; 
bis oft gestoßen, oft geschmissen, 
sich endlich beide packen müssen. 
Er lernt zuletzt, daß Gut und Geld 
nicht für die Freuden schadlos hält, 
die der Zufriedene genießet, 
dem Arbeit Kost und Schlaf versüßet, 
der braucht, was ihm sein Fleiß beschert, 
und nie vermißt, was er entbehrt. 
Dem Nachbar, den er singend weckte, 
wenn kaum der Schlaf sein Auge deckte, 
dem stellt er bald aus Lust zur Ruh' 
den vollen Beutel wieder zu 
und spricht: „Herr, lehrt mich bess're Sachen, 
als statt des Singens.Geld bewachen; 
nehmt Euern Beutel wieder hin, 
und laßt mir meinen frohen Sinn. 
Fahrt fort, mich heimlich zu beneiden, 
ich tausche nicht mit Euern Freuden, 
der Himmel hat mich recht geliebt, 
daß er Gesang mir wieder giebt. 
Was ich gewesen, werd' ich wieder: 
Johann, der muntre Seifensieder." 
33. Die Tabakspfeife. 
1. „Gott grüß'Euch, Alter!— Schmeckt 
das Pfeifchen? 
Weis't her! — Ein Blumentopf 
von rothem Thon, mit goldnen Reischen? 
Was wollt Ihr für den Kopf?" 
2. „O Herr, den Kopf kann ich nicht lassen, 
er kömmt vom bravsten Mann, 
der ihn, Gott weiß es! einem Bassin 
bei Belgrad abgewann. 
3. Da, Herr, da gab es rechte Beute. 
Es lebe Prinz Eugen! 
Wie Grummet sah man unsre Leute 
der Türken Glieder mähn!" 
4. „Ein andermal von Euren Thaten!. 
Hier, Alter, seid kein Tropf! 
nehmt diesen doppelten Dukaten 
für Euren.Pfeifenkopf." 
5. „Ich bin ein armer Kerl und lebe 
von meinem Gnadensold; 
doch, Herr, den Pfeifcnkopf, den gebe 
ich nicht für alles Gold. 
6. Hört nur: Einst jagten wir Husaren 
den Feind nach Herzenslust, 
da schoß ein Hund von Janitscharen 
den Hauptmann in die Brust. 
7. Ich heb' ihn flugs auf meinen Schirm 
mel, — 
er hält' es auch gethan — 
und trag' ihn sanft aus dem Getümmel 
zu einem Edelmann. 
8. Ich pflegte sein. Vor seinem Ende 
reicht' er mir all' sein Geld 
und diesen Kopf, drücke' mir die Hände 
und blieb im Tod noch Held. 
9. Das Geld mußt du dem Wirthe schenken, 
der dreimal Plündrung litt. 
So dacht' ich, und zum Angedenken 
nahm ich die Pfeife mit. 
10. Ich trug auf allen meinen Zügen 
sie wie ein Heiligthum, 
wir mochten weichen oder siegen, 
im Stiefel mit herum. 
1k. Vor Prag verlor ich auf der Streife 
das Bein durch einen Schuß; 
da griff ich erst nach meiner Pfeife 
und dann nach meinem Fuß." 
12. „Schön, Vater, Ihr entlockt mir 
Zähren. 
O sagt, wie hieß der Mann? 
dantit auch mein Herz ihn verehren 
und ihn beneiden kann." 
13. „Man hieß ihn nur den tapfern 
Walter. 
Dort lag sein Gut am Rhein" — 
„Das war mein Ahne, lieber Alter, 
und jenes Gut ist mein. 
14. Kommt, Freund, Ihr sollt bei mir 
nun leben. 
Vergesset Eure Noth! 
Kommt, trinkt mit mir von Walters Neben 
und eßt von Walters Brot!" 
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