Full text: Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands

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Wölfin war nicht dabei, die war wieder in den Wald gelaufen; und wenn 
ihm ^ nun die Wölfchen nach den Händchen schnappten, schlägt das Kind sie 
mit dem hölzernen Löffel auf die Nase und sagt immer dazu: „Geh', oder ich 
geb' dir was!" 
Und der Bote wunderte sich und lief geschwind hin und schlug mit dem 
Stocke unter die kleinen Wölfe, daß sie alle davon liefen, und das Kind nahm 
er geschwind von der Erde in die Höhe und lief und lief; denn er dachte, die 
alte Wölfin könnte wieder kommen. Und da währte es gar nicht lange, da 
kamen die Bauern aus dem Dorfe mit Heugabeln und Dreschflegeln und wollten 
den Wolf todt machen. Und die Mutter kam auch mit, und da sie sah, daß 
der Wolf das Kind nicht gefressen hatte, war sie sehr vergnügt und dankte dem 
guten Manne tausendmal, und noch mehr dem lieben Gott, daß er ihr Kind 
behütet hatte. 
32. Wie oft Gott zu danken sei. 
Wie viel Körnlein sind im Meer, 
wio viel Sterne obenher, 
wie viel Thiere in der Welt, 
wio viel Heller unterm Geld, 
in den Adern wie viel Blut, 
in dem Feuer wio viel Glut, 
wio viel Blätter in den Wäldern, 
wie viel Gräslein in den Foldern, 
in den Hecken wie viel Dörner, 
auf dem Acker wie viel Körner, 
auf den Wiesen wie viel Klee, 
wie viel Stäublein in der Höh', 
in den Flüssen wie viel Fischlein, 
in dem Meere wio viel Müschlein, 
wie viel Tropfen in der See, 
wie viel Flocken in dem Schnee, 
wie viel lebendig weit und breit: 
so oft und viel sei Gott Dank in 
Ewigkeit. 
33. Ein dankbares Herz. 
Ein Edelmann in den Niederlanden war durch den Krieg in große 
Armuth gerathen und lag an Händen und Füßen lahm von der Gicht in 
einem Dachstüblein und hatte niemand als eine alte Ausläuferin, die sich 
des Tages zwei- oder dreimal nach ihm umschaute. Und als er zuletzt 
auch von seinem alten Hittermantel die goldenen Spangen, Haken und 
Schnüre verkaufen mußte, gerieth er in schwere Sorgen. An demselben 
Tage noch kam ein unbekannter Mann an sein Bett, der wie ein Diener 
eines großen Herrn aussah nnd stumm schien, weil er weder mit einem 
Wort grüßte, noch auf eine Frage Antwort gab, sondern jedesmal seinen 
Finger fest auf die Lippen drückte, womit er andeuten wollte, daß ihm 
sein Mund verschlossen sei. Der hatte ein schneeweißes Damasttuch an 
den vier Zipfeln in der Hand und in dem Tuche eine silberne Schüssel, 
die er mit der Speise darin auf das Tischlein neben dem Bette stellte, 
worauf er wieder ging, ohne zu sagen, woher oder wohin. Der Edel¬ 
mann verwunderte sich sehr, noch mehr aber, als der Mann auch am 
folgenden Tage und ferner die ganze Woche und endlich die etlichen 
Jahre wieder kam, die der Edelmann noch lebte, und einen Mittag wie 
den andern eine volle Schüssel brachte und die leere dagegen holte. Es 
ist nicht auszusprechen, welch herzliches Verlangen der Edelmann hatte, 
seinen unbekannten Wohlthäter kennen zu lernen und ihm zu danken,
	        
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