Full text: Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands

146. Der Friede. 
O schöner Tag, wenn endlich der Soldat 
ins Leben heimkehrt, in die Menschlichkeit, 
zürn frohen Zug die Fahnen sich entfalten, 
und heimwärts schlägt der sanfte Friedensmarsch! 
Wenn alle Hüte sich und Helme schmücken 
mit grünen Mai'n, dem letzten Raub der Felder! 
Der Städte Thore gehen auf, von selbst, 
nicht die Petarde braucht sie mehr zu sprengen; 
von Menschen sind die Wälle rings erfüllt, 
von friedlichen, die in die Lüfte grüßen, — 
hell klingt von allen Thürmen das Geläut, 
des blut'gen Tages frohe Vesper schlagend. 
Aus Dörfern und aus Städten wimmelnd strömt 
ein jauchzend Volk, mit liebend emsiger 
Zudringlichkeit des Heeres Fortzug hindernd. — 
Da schüttelt, froh des noch erlebten Tags, 
dem heimgekehrten Sohn der Greis die Hände. 
Ein Fremdling tritt er in sein Eigenthum, 
das längstverlass'ne, ein; mit breiten Aesten 
deckt ihn der Baum bei seiner Wiederkehr, 
der sich zur Gerte bog, als er gegangen, 
und schamhaft tritt als Jungfrau ihm entgegen, 
die einst er an der Amme Brust verließ. 
O glücklich, wem dann auch sich eine Thür, 
sich liebe Arme sanft umschlingend öffnen! — 
147. König Wilhelm L, Kaiser von Deutschland. 
Unser jetziger glorreicher König, Kaiser von Deutschland, ist geboren am 
22. März 1707. Noch in demselben Jahre bestieg sein Later, der einfache 
und edle Friedrich Wilhelm III., den Thron. Schon in früher Jugend erlvachte 
seine Liebe zum Soldateitstande. Aber bald brachen schwere Zeiten über Preu¬ 
ßen herein. Napoleon, der französische Eroberer, schlug das stattliche preußische 
Heer, Berlin fiel in die Hände der Feinde, und Friedrich Wilhelm III. mußte 
mit seiner frommen Gemahlin, Königin Luise, und seinen Kindern nach Königs¬ 
berg flüchten. Da galt cs, mit Ergebung und Gottvertrauen Trübsal und harte 
Entbehrung zu ertragen; aber die Eltern und die jungen Prinzen haben ver¬ 
standen, den göttlichen Segen, der auch in dieser Heimsuchung lag, sich zu eigen 
zu machen. 
Nach einigen Jahren erfolgte die begeisterte Erhebung des preußischen 
Volkes gegert den französischen Unterdrücker, aber die zarte Königin Luise war 
bereits dem Kummer über das Schicksal des Vaterlandes erlegen, sie war zur 
ewigen Ruhe eingegangen. Der Kronprinz Friedrich Wilhelm durfte sich dem 
preußischen Heer, das zur Befreiung des Vaterlandes auszog, anschließen, aber 
deut 16jährigen Prinzen Wilhelm gestattete der König das nicht; er schien kör¬ 
perlich noch nicht stark genug zu fein, um die Beschwerden des Feldzuges zu
	        
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