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eine bürgerliche Welt umfassend, großen Burgen, ja Halbstädten
ähnlich sind. In einem dieser seltsamen Räume quartierte ich mich
ein, und zwar in der Feuerkugel zwischen dem alten und neuen Neu¬
markt. Ein paar artige Zimmer, die in den Hof sahen, der wegen
des Durchganges nicht unbelebt war, bewohnte der Buchhändler s
Fleischer während der Messe und ich für die übrige Zeit um einen
leidlichen Preis. Als Stubennachbarn fand ich einen Theologen, der in
seinem Fache gründlich unterrichtet, wohldenkend, aber arm war und,
was ihm große Sorge für die Zukunft machte, sehr an den Augen
litt. Er hatte sich dieses Übel durch übermäßiges Lesen bis in die 10
tiefste Dämmerung, ja sogar, um das wenige Öl zu ersparen, bei
Mondschein zugezogen. Unsere alte Wirtin erzeigte sich wohltätig
gegen ihn, gegen mich jederzeit freundlich und gegen beide sorgsam.
Nun eilte ich mit meinem Empfehlungsschreiben zu Hofrat Böhme,
der Geschichte und Staatsrecht lehrte. Ein kleiner untersetzter, leb- is
Hafter Mann empfing mich freundlich genug und stellte mich seiner
Gattin vor. Beide sowie die übrigen Personen, denen ich aufwartete,
gaben mir die beste Hoffnung wegen meines künftigen Aufenthaltes;
doch ließ ich mich anfangs gegen niemand merken, was ich im Schilde
führte, ob ich gleich den schicklichen Moment kaum erwarten konnte, 20
wo ich mich von der Jurisprudenz frei und dem Studium der Alten
verbunden erklären wollte. Vorsichtig wartete ich ab, bis Fleischers
wieder abgereist waren, damit mein Vorsatz nicht allzugeschwind den
Meinigen verraten würde. Sodann aber ging ich ohne Anstand zu
Hofrat Böhmen, dem ich vor allen die Sache glaubte vertrauen zu 25
müssen, und erklärte ihm meine Absicht. Allein ich fand keineswegs
eine gute Aufnahme meines Vortrages. Als Historiker und ^taats-
rechtler hatte er einen erklärten Haß gegen alles, was nach schönen
Wissenschaften schmeckte. Unglücklicherweise stand er mit denen, welche
sie kultivierten, nicht im besten Vernehmen, und Gellerten besonders, 30
für den ich ungeschickt genug viel Zutrauen geäußert hatte, konnte
er nun gar nicht leiden. Er hielt mir daher aus dem Stegreif eine
gewaltige Strafpredigt, worin er beteuerte, daß er ohne Erlaubnis
meiner Eltern einen solchen Schritt nicht zugeben könne, wenn er ihn
auch, wie hier der Fall nicht sei, selbst billigte. Er verunglimpfte 35
darauf leidenschaftlich Philologie und Sprachstudien, noch mehr aber
die poetischen Übungen, die ich freilich im Hintergründe hatte durch¬
blicken lassen. Er schloß zuletzt, daß, wenn ich ja dem Studium der
Alten mich nähern wollte, solches viel besser auf dem Wege der
Jurisprudenz geschehen könne. Er brachte mir so manchen eleganten 40
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