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12. Wann aber sie so flimmernd scheint,
ich merk’ es wohl, was sie da meint,
wie sie sich müht und sich erbost; —
du, schau nicht hin, und sei getrost!
Sie bringt es doch nicht an den Tag.“
13. So hatt’ die Sonn eine Zunge nun;
der Frauen Zungen ja nimmer ruhn.
„Gevatterin, um Jesus Christ!
lasst Euch nicht merken, was Ihr nun wisst!“
Nun bringt’s die Sonne an den Tag.
14. Die Raben ziehen krächzend zumal
nach dem Hochgericht, zu halten ihr Mahl.
Wen flechten sie auf das Rad zur Stund’?
Was hat er gethan? Wie ward es kund?
Die Sonne bracht’ es an den Tag.
Adelbert v. Chamisso.
154. Der Glockenguß zu Breslau.
1. War einst ein Glockengießer zu Breslau in der Stadst
ein ehrenwerter Meister, gewandt in Rat und That.
2. Er hatte schon gegossen viel Glocken, gelb und weiß,
für Kirchen und Kapellen, zu Gottes Lob und Preis.'
3. Und seine Glocken klangen so voll, so hell, so rein;
er goß auch Lieb' und Glauben mit in die Form hinein.
4. Doch aller Glocken Krone, die er gegossen hast
das ist die Sünderglocke zu Breslau in der Stadt.
5. Im Magdaleneuturme, da hängt das Meisterstück,
rief schon manch starres Herze zu seinem Gott zurück.
6. Wie hat der gute Meister so treu das Werk bedacht!
Wie hat er seine Hände gerührt bei Tag und Nacht!
7. Und als die Stunde kommen, daß alles fertig war, —
die Form ist eingemauert, die Speise gut und gar, —
8. da ruft er seinen Buben zur Feuerwacht herein:
„Ich laß auf kurze Weile beim Kessel dich allein;
9. will mich mit einem Trünke noch stärken zu dem Guß;
das giebt der zähen Speise erst einen vollen Fluß.