Full text: Lesebuch für ein- und zweiklassige Volksschulen

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Gebrüll, und es wurde an die Thür geklopft. Sie trat hinaus. 
Da stand eine schwarz und weiss gefleckte Kuh an den Baum 
gebunden, und ein Mann sprach zu ihr: „Ein guter Freund schickt 
Euch diese Kuh nebst diesen Säcken und einen freundlichen 
Grufs." Ehe sie ihn erkennen oder ihm danken konnte, war er 
in der Dunkelheit verschwunden. Jubelnd führten die Kinder 
die blanke Milchkuh in den Stall und halfen der Mutter die 
schweren Kornsäcke ins Haus tragen. Die Witwe weinte Freuden- 
thränen. Der liebe Gott hatte ihr Gebet gar bald erhört. 
4. Als sie nämlich hinter dem Kirchenpfeiler in ihrem Schmerz 
versunken war, hatte ein wohlhabender Mann aus der Gemeinde 
ihre Betrübnis bemerkt. Er hatte sich nachher nach ihren Um¬ 
ständen erkundigt, ihren Verlust und ihre Kot erfahren und das 
Werk der Barmherzigkeit an ihr geübt, damit sie ebenso fröhlich 
nach dem Hause des Herrn gehen könne wie er. 
Nach Bürger. 
2\> Lin braver Mann. 
Zm Zahre I892 wurde die StaM Hamburg von der Tholera 
schwer heimgesucht. Diele Kinder verloren durch diese gräßliche 
Krankheit zu gleicher Zeit Dater und Mutter, und sämtliche Waisen¬ 
häuser der StaM füllten sich in kurzer Zeit. Bald aber fanden sich 
mitleidige, kinderlose Leute, die arme Waisen in ihr Haus nahmen, 
am ihnen Dater und Mutter zu sein. Zu diesen gutherzigen Leuten 
gehörte auch ein Schiffer. 
Dieser Mann ging eines Tages in ein Waisenhaus, um sich 
ein kleines Kind zu holen. Unter der Führung des Waisenhaus¬ 
direktors hatte er bald einen kleinen, rotwangigen Knaben heraus¬ 
gefunden, den er seiner Frau zuführen wollte. Der kleine Zunge 
von etwa vier Zähren faßte seinen neuen Dater zutraulich an die 
Hand und sagte dann treuherzig zu ihm: „Nimm doch meine kleine 
Schwester Anna auch mit!" Den Schiffer rührte diese treue Ge¬ 
schwisterliebe. Tr willigte sofort ein, und die kleine, dreijährige Anna 
wurde herbeigeholt. 
Als der brave Mann mit den beiden Kindern fortgehen wollte, 
rief jedoch das kleine, zarte Mädchen weinend nach seiner lieben 
Marie. Auf Befragen des Schiffers stellte sich heraus, daß sich noch 
eine Schwester von sechs Zähren in dem Waisenhause befand. Zm 
ersten Augenblick stutzte der Mann, aber bald siegte sein gutes Herz,
	        
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