Full text: Lesebuch für ein- und zweiklassige Volksschulen

vielem hineingelassenen Öl und andern brennbaren Flüssigkeiten 
gemengt war, was dem Feuer neue Nahrung gab. Fm ein 
Uhr war die Nikolaikirche erreicht. Die roten Flammen des 
Turmes loderten hoch über die Spitze empor. Am Nachmittag 
stürzte er teils in sich zusammen, teils auf das Kirchendach und 
auf schon niedergebrannte Häuser. In diese Kirche waren sehr 
viele Sachen getragen. Als nun ihr Schiff zu brennen anfing, 
verbreitete sich eine solche Glut, dass an Rettung der umstehenden 
Gebäude gar nicht mehr zu denken war. Die flüchtigen Bewohner 
stürzten in der höchsten Todesangst nach allen Seiten, aber sie 
wurden auch von allen Seiten gehemmt durch aufgehäufte Sachen. 
Dazu schwankten die Häuser; ein furchtbarer Feuerregen fiel 
nieder, und Kanonen rasselten durch die Strassen, um noch nicht 
ergriffene Häuser niederzuschiefsen und Lücken zu machen. Vor¬ 
nehme Leute und selbst Damen zogen Handwagen, um Gerettetes 
fortzuschaffen, standen sogar mit an den Spritzen, um die ermüdete 
Mannschaft zu unterstützen. Angst und Verwirrung hatten allen 
Unterschied zwischen Menschen aufgelöst. 
Doch was versuchen wir eine Beschreibung des Unbeschreib¬ 
lichen! Es wüteten die Flammen fortwährend und wuchsen in 
ihrer Macht mit jeder Stunde; denn auch der Wind war ihr Ge¬ 
selle in der Zerstörung. So fehlte es auch nicht an Menschen, 
die einbrachen, wegnahmen, zerschlugen und sich wie Teufel ge¬ 
bärdeten. 
Das Feuer brannte, unaufgehalten durch Spritzen und 
Sprengungen, bis in die Nacht auf den achten; nur dann und 
wann gelang es der Menschenmacht, ein Gebäude zu retten. Am 
Freitagabend wurde das grosse Eimbecksche Haus ergriffen, wo¬ 
durch eine Feuersäule entstanden ist, die bis in die Nordsee 
hineingeleuchtet hat, wie denn das Feuer auf sieben bis acht 
Meilen gesehen worden ist, und selbst angebrannte Papiere, seidne 
Stoffe, Tapetenstücke soweit vom Winde getragen sind. Jetzt 
stand auch die Petrikirche in Gefahr. Vergebens schmetterte 
eine Batterie Zwölfpfünder mehrere Häuser nieder, um diese älteste 
Zierde Hamburgs zu retten. Neun Uhr schlug es am Sonnabend¬ 
morgen zum letztenmal vom Petriturm nach vorausgegangenem 
Glockenspiel. Der Turm brannte, stand als eine Fackel da, löste 
sich ab und schlug, mit der Spitze nach unten gekehrt, fast vier 
Meter tief in die Erde. Bis in die Nacht zwischen Sonnabend
	        
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