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Wer an der Seeküste je das regelmässige Steigen und Fallen
des Meeres beobachtet hat, der weiss, dass jede Flut am Strande
eine Menge von Schlamm, Geröll, Seegras u. s. w. zurücklässt. Die
Menge dieser Zurückbleibsei ist um so grösser, je heftiger die Flut¬
welle den Meeresboden aufwühlt. Das dichte Wurzelwerk der Man¬
grovewälder fängt wie ein Sieb die vom Wasser mitgeführten Be¬
standteile auf und hält sie zurück. Bedenkt man, dass zur Ebbezeit
der feuchte Boden, sowie alle im Wurzelgeflecht hängenden Schlamm-
und Tangmassen, wozu noch zahllose Tierleichen sich gesellen, den
glühenden Strahlen der tropischen Sonne ausgesetzt sind, so begreift
man, dass sich hier fortwährend verderbliche Dünste bilden müssen,
durch welche die den Europäern so gefährliche Malaria oder das
Sumpffieber erzeugt wird. In diesen Fiebergegenden findet man
nirgends eine Spur menschlicher Niederlassungen.
Einige Stunden weiter stromaufwärts verschwinden die Man¬
grovebäume; dagegen gedeihen riesige Palmen, üppige Bananen und
andre tropische Bäume in herrlicher Fülle und überschatten zahl¬
reiche Dörfer der Eingebornen. Hier liegen die nach den Häupt¬
lingen benannten Ortschaften König-Aqua-Dorf, Dido-Dorf, Jofs-Dorf
u. s. w. Auch ein von den Engländern gegründetes Missionshaus
und der deutsche Regierungspalast fallen in die Augen. In dem
letzteren wohnt der deutsche Statthalter.
Hart am Flusse befinden sich die europäischen Handelshäuser
oder Faktoreien, von Wohnungen und Gärten umgeben. Die
Faktoreien sind die Waren-Stapelplätze, die Märkte Kameruns. In
den leichtgebauten, langgestreckten Hallen stehen Tische, auf denen
allerlei Waren zur bequemen Ansicht ausgebreitet liegen. Da lagern
Spiel-, Glas-, Eisenwaren, Perlen, Bänder, wollne Kleider, europäische
Decken und vieles andre, kurz, hier ist Augenweide für kauflustige
Neger. Wie glänzen aber auch ihre Augen, wenn sie zum ersten¬
mal in diese Räume gelangen!
Meistens herrscht in den Faktoreien und auf dem Flusse ein
reger Verkehr. Zahlreiche Kähne, mit Elefantenzähnen, Ölfässern,
Palmkernen, Früchten, Häuten, lebenden Schafen und Ziegen u. s. w.
beladen, kommen stromauf- und abwärts gefahren und landen an
den Faktoreien. Der Handel zwischen den Negern und den Euro¬
päern ist fast nur ein Tauschgeschäft. Waren werden nicht mit
Geld, sondern mit Waren bezahlt, und die Neger verstehen das
Schachern und Feilschen auch um Kleinigkeiten aus dem Grunde.