Full text: Lesebuch für ein- und zweiklassige Volksschulen

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seiner Braut vorbereitet. Freudig begrüsste er sie und führte 
sie hinein in den grossen Saal seiner Königsburg an die reich 
besetzte Tafel. Sie sass an seiner Seite, aber noch immer tief 
verschleiert, wie es die damalige Sitte vorschrieb. Auffällig war 
der Appetit, den sie beim Essen zeigte. Sie verzehrte allein 
einen fetten Ochsen, acht Lachse und alles Gebäck, das für die 
Frauen bestimmt war, und trank dazu zwei Tonnen Met. Erstaunt 
sprach der Biese: „Noch nie sah ich eine Braut, die so viel essen 
und trinken konnte!“ Da versetzte Loki: „Deine Braut hat aus 
Sehnsucht nach dir seit acht Tagen nichts gegessen und ge¬ 
trunken.“ 
Nach beendigtem Gastmahle begehrte der König den ersten 
Kuss von seiner Braut. Als er ihren Schleier lüften wollte, er¬ 
schrak er vor ihren Augen; denn sie funkelten ihm wie feurige 
Kohlen entgegen. Doch Loki beruhigte ihn, indem er sprach: 
„Acht Nächte hat meine Herrin vor Sehnsucht nicht geschlafen, 
darum sind ihre Augen so rot,“ 
Jetzt befahl der Biese, dass man ihm Thors Hammer bringe, 
damit er nach üblicher Sitte den Ehebund weihe. Der Braut 
wurde nämlich am Hochzeitstage ein Hammer in den Schoss 
gelegt, um anzudeuten, dass der Donnergott Thor sie mit Blitz 
und Donner strafen möge, wenn sie die gelobte Liebe und Treue 
nicht halte. 
Als der König seiner Braut den Hammer in den Schoss 
legte, glitt ein schadenfrohes Lächeln über ihr Antlitz. Sie ergriff 
ihn mit fester Hand, sprang vom Sitze empor und riss den 
Schleier vom Gesicht herunter. Zum Schrecken aller Anwesenden 
stand Thor jetzt vor ihnen, den rechten Arm erhoben, mit dem 
Hammer in der nervigen Faust. Ein Schlag, und des Königs 
Haupt ist zerschmettert! Knechte und Gäste sinken unter des 
zornigen Gottes Hammerschlägen zu Boden. Ein greller Blitz¬ 
strahl flammt durch die Halle, und ein Donnerschlag erschüttert 
die ganze Burg. Hoch steigt die feurige Lohe aus dem Giebel 
empor, und Haus und Halle stürzen krachend zusammen. 
Nach E. Falch und A. Böe. 
231. Das Grab im Busmto. 
1. Nächtlich am Busento lispeln bei Cosenza dumpfe Lieder, 
aus den Wassern schallt es Antwort, und in Wirbeln klingt es wieder.
	        
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