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Tauben schmausen in Gesellschaft, und die Enten segeln miteinander
über die klare Flut; der Kuckuck aber mag am liebsten allein sein.
Einsam fliegt er mit schnellen Flügeln durch das dichte Waldthal
und über den sonnigen Berg und späht, ob irgend ein fremder Kuckuck
sich in sein Gebiet verirrt hat. Hört er den Ruf eines andern —
und wenn es sein Bruder oder Vater wäre — so schreit er ihm ganz
erbost zu: „Kuckuck! Siehst du nicht, daß ich hier der Herr bin?
Flieh schnell aus meinem Gebiete!" Weicht dieser nicht, dann giebt's
einen hitzigen Kampf; die Federn fliegen umher; der Schwächere muß
weichen und sich ein andres Wäldchen zur Wohnung suchen.
3. Sehen wir nun zu, was auf seine Tafel gelangt, was er zu
Mittag und Abend speist. Rüupchen und Käfer, Schmetterlinge und
Fliegen sucht er unermüdlich vom frühesten Morgen bis in die späte
Nacht; denn sein Magen und sein Hunger sind groß und die Insekten
gar klein. Den ganzen Tag zieht er deshalb umher, sein täglich Brot
zu suchen. Im schnellen Fluge erschnappt er die Raupen, die ans
den Kräutern der Waldwiesen sitzen, oder streicht durch die Wipfel
der Eichen und befreit die jungen Blätter von ihren Feinden. Er
frißt zur Strafe alle, die ihm sein grünes Hans verderben. Viele
dieser Raupen sind aber mit langen, schwarzen Haaren besetzt; diese
stechen sich in den Magen des Kuckucks ein, ohne ihm jedoch zu
schaden, so daß ein solcher Kuckncksmagen inwendig aussieht wie ein
Stückchen Pelz, und man glauben könnte, es seien diese Haare darauf
gewachsen. Gerade unter diesen behaarten Raupen giebt es abscheu¬
liche Waldverwüster, die sich in manchen Jahren sehr stark vermehren.
Während nun die meisten Waldvögel glatte Bissen lieben, verschmäht
der Kuckuck diese rauhen, borstigen Gesellen durchaus nicht und wird
auf diese Weise ein großer Wohlthäter des Waldes. Darum steht
er auch bei jedem Forstmanne in hohen: Ansehen.
4. Männchen und Weibchen sind einander ganz ähnlich in der
Kleidung; nur jung ist das letztere braun und wird erst später grau;
ihre Stimmen sind aber verschieden. Der Vogel, der „Kuckuck!" ruft,
ist stets ein Männchen; das Weibchen vermag nur ein Geschrei zu
machen, das einem Lachen sehr ähnlich klingt. Sobald die übrigen
Zugvögel sich aus den fernen Landen wieder eingefunden haben, in
denen sie den Winter verlebten, und nun anfangen, ihre Nester zu
bauen oder die alten.auszubessern, sieht der Kuckuck mit seinem Weib¬
chen ihnen zu. Jene tragen Halme und Moos, Reiser und Wolle
zusammen und bereiten alles sauber, weich und warm und freuen