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Das Drehen ist in Leissen säst in jedem Hanse durch ein vom Wasser
bewegtes Triebwerk ermöglicht. Doch kann eine Drehstelle beim Be-
sitzer eines Drehwerkes je nach Bedarf für einen halben oder Viertel¬
tag oder ans' einige Stunden gemietet iverden. 1880 gab es im
ganzen Bezirke von Seiffen 675 Drehstellen; in der Spielwaren
Industrie des Erzgebirges aber waren damals 10 000 Personen beschäftigt.
Man verarbeitet vorwiegend Fichten- und Buchenholz, sowie Ahorn, ans
Böhmen bezogen. Die Arbeiter verkaufen ihre Fabrikate an die großen
Verleger in Seiffen u. a. O., die sie auf den Markt bringen und
besonders viel davon nach Amerika absetzen. Aber bei der erstaun¬
lichen Billigkeit der Waren kann der Verdienst nur ein sehr geringer
sein. Neuerdings sind zur Hebung dieser Industrie von der Regierung
Fachgewerbeschnlen errichtet worden. Außer Spielwaren iverden auch
hölzerne Haus- und Küchengeräte angefertigt. Ferner stammen fast
sämtliche Strumpfwirkerstühle ans Olbernhau und seiner buchenreichen
Umgegend. Ein eigentümlicher Zweig der Holzindustrie ist die Holz-
drahtzieherei, die das Material für Decken liefert, mit denen man gern
das Tafeltuch belegt.
II. Eine wichtige Hansindustrie des östlichen Erzgebirges ist die
Strohflechterei, die besonders in der Amtshanptmannstadt
Dippoldiswalde ausgeübt wird. Strohflechtschulen, die an verschiedenen
Orten bestehen, haben die Aufgabe, diese Industrie zu fördern. Wer
die Flechtereigebiete durchwandert, sieht in den Fenstern überall
Gefäße mit eingeweichten Strohhalmen. Kinder und Erwachsene sitzen
im Sommer vor der Thür und sind emsig mit Flechten beschäftigt.
Das für die Geflechte geeignete Weizenstroh bringt der magere Gebirgs-
boden in dortiger Gegend hervor: auf fettem Boden gewachsene Weizen
Halme bilden ein weniger gutes Material. Auch auf das Einbringen
des Strohes, das vor Nässe lind sogar vor dem nächtlichen Tan
bewahrt werden muß, kommt viel an. Sind nun die Ähren von den
Halmen abgeschnitten, so werden letztere in der Weife in einzelne
Stücke geteilt, daß diese keinen Knoten mehr zeigen. In den Schwefel¬
kasten gebracht, erhalten sie eine schöne, weiße Farbe. Nachdem man
ihnen noch durch Einlegen in Wasser größere Geschmeidigkeit erteilt
hat, werden sie mit einem Stahlwerkzeug der Länge nach in Streifen
gerissen. Die Feinheit des Geflechtes bestimmt sich nach der Anzahl
der Streifen, in die ein Halm geteilt ist. Die hergestellten Ge¬
flechte werden an die Fabrikanten verkauft und wandern besonders nach
Dresden, zum guten Teil auch nach Frankreich und Amerika. Ab¬
gesehen von Stroh verarbeitet man auch feine Holzfäden, die mit
hobelartigen Werkzeugen aus weichem Holz erzeugt und zu recht ge¬
fälligen Geflechten verwendet iverden. Für diese Holzbastgeflechte ist
England Hauptabnehmer.
111. Im Südwesten des Erzgebirges beschäftigt sich ein ansehn¬
licher Teil der weiblichen Bevölkerung mit Spitzenklöppeln. Durch
die Einführung dieser Industrie im Erzgebirge (1561) erwarb sich
Barbara Uttmann große Verdieste um die Gebirgsbevölkerung, doch
die Ersinderin des Spitzenklöppelns ist sie nicht. Das Klöppeln ist